Arno Holz erschienen in
Die hier zum erstenmal aus dem Nachlaß veröffentlichten sechs Gedichte sind gegen 1898, zur Zeit der ersten «Phantasus»-Hefte, entstanden und stellen technisch ein Unikum im Schaffen von Arno Holz dar: es handelt sich um reine Montagen aus vorgeformten Sprachmaterialien. Holz hatte sich aus zeitgenössischen Illustrierten im Stil der berüchtigten «Gartenlaube» eine Sammlung von Ausschnitten angelegt, die aus einer Reihe von damals populären, bildungsbürgerlich pedantischen Bildbeschreibungen bedeutender Gemälde - vor allem der alten niederländischen Meister - bestand. Aus diesem Material fügte er ausgewählte Zeilen in Mittelachsenform zu den vorliegenden Gedichten zusammen. Der kleine Zyklus, den Holz als Paraphrase zu seinem damals begonnenen Hauptwerk als «Scherz-Phantasus» bezeichnete, sollte offenbar später erweitert werden. Im Nachlaß haben sich weitere noch zu verarbeitende Zeitschriftenausschnitte dieser Art gefunden. Holz hat aber dann die Persiflage auf die sprachlichen Klischees seiner Zeit in anderer Weise fortgesetzt: in Gestalt seiner zuerst 1902 erschienenen «Blechschmiede». Holz gibt in der «Blechschmiede» selbst auch einen ironisch versteckten Hinweis auf ihren Ursprung, der zweifellos im «Scherz-Phantasus» bzw. in dem darin verarbeiteten Illustrierten-Material liegt: «Im Anfang blüht Die Gartenlaube!» (in der Luchterhand-Ausgabe Band VI, Seite 52). Daß Holz die Maler der beschriebenen Bilder genau kannte, steht ebenfalls außer Zweifel. Schon die umfangreichen Malerkataloge unter dem zitierten Personal der «Blechschmiede» deuten darauf hin (u. a. VI, 306; VII, 52 f.); am höchsten von ihnen schätzte Holz übrigens Rubens, der zu den neun Gipfelgestalten der politischen und Kulturgeschichte gehört, mit denen sich der Dichter im «Frauenfeenpalast», dem zentralen Abschnitt des «Tausendundzweiten Märchens» im «Phantasus», identifiziert (II, 263-268). Welchen ästhetischen Stellenwert die dem «Scherz-Phantasus» zugrunde liegenden realistischen Bilder der alten Niederländer für Holz hatten, zeigt am deutlichsten folgende Selbst-Persiflage des Dichters der «Blechschmiede»: «Über die Sixtinische setzt das Gnu / Paulus Potters pissende Kuh!» (VI, 135 f.). Bildbeschreibungen spielen überhaupt bei Holz eine große Rolle; es sei nur an seine Künstlertragödie «Sonnenfinsternis» erinnert, in der die beschriebenen Bilder bzw. Bild-Visionen des Malers Hollrieder (u. a. IV, 148 f.; IV, 279 ff.) nicht nur inhaltliche, sondern thematische Bedeutung haben. Die «Blechschmiede», formal ein wenn auch gigantisch übersteigertes, unaufführbares Drama, besteht über weite Passagen hinweg aus reinen Bildbeschreibungen in Dialogform, wobei es sich meist um sogenannte «Tableaux vivants» handelt, und zwar teils um imaginierte Bilder (z. B. die drei großen Strophen VII, 201 f.), teils um kunstgeschichtlich tatsächlich fixierbare Gemälde wie das von Franz Stuck (VII, 256). Als «Tableau vivant» bezeichnet Holz auch den ganzen 1. Akt der «Blechschmiede» (VI, 15), wie auch alle übrigen Akte und Zwischenspiele des Werkes charakteristische (französische) Untertitel aus dem Vokabular der bildenden Kunst tragen. Die im «Scherz-Phantasus» dominierende galante Jäger-Metaphorik, insbesondere die erotischen Doppeldeutigkeiten, und die rustikale Gesamtstimmung weisen diesen kleinen Zyklus ebenfalls als Keimzelle und Vorstufe der «Blechschmiede» aus; die folgenden Verse daraus - man lese sie im Kontext nach! seien als deutliche Parallelen zitiert: «Stolz spannt sie ihm den Flintenhahn, / mit nichts als Keuschheit angetan» (VII, 167); «Ein Mädchen, das sich keck entblößt. / Ein Jüngling, der ins Hifthorn stößt» (VII, 169); «Sigmund, der Wälsung, strotzend vor Kraft, / mit stolz erhobenem Fahnenschaft» (VII, 169)
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