Für eine Reihe bürgerlicher Schriftsteller war es vor allem die Kriegsgefahr, die ihre Auf merksamkeit für die sozialen und politischen Widersprüche und die darin ablesbaren Tendenzen schärfte. »Das Menschenschlachthaus« (1912) Von WILHELM LAMSZUS (1881-1965) und RENÉ SCHICKELES (1883-1940) Roman »Benkal, der Frauentröster« (1913) sind dafür charakteristische Beispiele. Verblüffend ist die Genauigkeit der »Prophetie« in Lamszus »Visionen vom Krieg«. Der »Mann aus dem Volke, ein Volksschullehrer«, der nach den Worten Willi Bredels »das erste deutsche Buch gegen den imperialistischen Krieg« schrieb, gab Visionen, die z.T. bis ins Detail mit den späteren Abläufen übereinstimmen: die Situation bei Kriegsausbruch, mit dem Begeisterungstaumel und dem Gehorsam gegenüber dem »Gebot« des Vaterlandes, den Kriegsverlauf mit dem Stillstand der deutschen Offensive an der Marne, der Materialschlacht und dem Stellungskrieg und schließlich dem Ausgang des Krieges, bei dem die Soldaten ihre Gewehre umdrehen, sich verbrüdern und die Revolution herbeiführen. In diesem Roman und dem SCHICKELES, der ebenfalls solche Vorwegnahmen aufweist, zeigt sich, in welchem Maß das kommende Kriegsgeschehen für ein politisch interessiertes (auch bürgerliches) Zeitbewußtsein erkennbar war, und zugleich, welches Unmaß an Blindheit und Ignoranz hinter der Verblüffung weiter literarischer Kreise über den »plötzlichen« Kriegsausbruch stand. Im Zukunftsbild Lamszus geht die Beendigung des Krieges vom Proletariat aus, es ist auch davon die Rede, daß der Krieg den Menschen auf unerträgliche Weise »zu einer Kruppschen Militärmaschine« machen wird. Mehr aber trägt es den Charakter der allgemeinen Warnung vor einem kommenden Schlachtfest der Kultur, vor Massen wahnsinn und Bürgerkrieg zwischen Kriegs- und Friedenspartei. Die zugrunde gelegte operative Intention ist allgemeindemokratisch; unbestimmt bleibt daher die Perspektive, die jüngstes Gericht, Marseillaise und rote Fahnen unter dem Zeichen des »Schreis der wunden Menschheit« zusammenfaßt. Der visiönären Methode des Ganzen entsprechend konzentriert sich das Buch nicht auf Analyse der sozialen Wurzeln des Krieges und der Revolution, sondern auf emotional wirksame Bilder des Entsetzens, auf die Gegenbilder der ersehnten Liebe und Vernunft. Hans Kaufmann u.a.: |
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