Cavalcanti + Dante
GUIDO CAVALCANTI AN EINEN FREUND
XLV
Se non ti caggia la tua santalena
giù per lo cólto tra le dure zolle
e vegna a man dun[o] forese folle
che la stropicci e rèndalati a pena:
dimmi se l frutto che la terra mena
nasce di secco, di caldo o di molle,
e qual è l vento che la nnarca e tolle,
e di che nebbia la tempesta è piena;
e se ti piace quando la mattina
odi la boce del lavoratore
e l tramazzare della sua famiglia.
I ho per certo che, se la Bettina
porta soave spirito nel core,
del novo acquisto spesso ti ripiglia.
*
Laß dir die Santalena nicht entrollen
zwischen die Ackerkrumen, daß die Pranken
sich eines Kerls vergriffen an der blanken,
der sie dir kaum wird wiedergeben wollen!
Sag mir, ob sich die Früchte aus den Schollen
dem Trocknen, Warmen oder Feuchten danken,
und welcher Wind es ist, in dem sie schwanken,
und welches Nebels voll die Stürme tollen,
und ob es dir gefällt, wenn du am Morgen
des Landarbeiters Stimme hörst; dann schlägt
aus dem Gesinde dir Tumult ans Ohr.
Wenn die Bettina dies muß ich besorgen
einen gelinden Geist im Herzen trägt,
wirft sie dir oft die Neuerwerbung vor.
|
|
*
Dazu die Anmerkungen von Geraldine Gabor:
1 die Santalena: alte byzantinische Münze mit dem Porträt der heiligen Helena (it. SantElena), der Mutter des Kaisers Konstantin. Sie wurde auch als Talisman getragen; darum kann das ganze Quartett folgendermaßen interpretiert werden: Gib acht, daß dir die Änderung deiner Lebensumstände kein Unglück bringt
7 und ... schwanken: In dem hier abgedruckten Text der De-Robertis-Ausgabe heißt dieser Satz »e qual èl vento che la nnarca e tolle« und bezieht sich auf terra in Z. 5. (Dies müßte man interpretieren: Welche unterirdischen Winde läßt die Erde sich krümmen und heben, wenn sie bebt?) In der Ausgabe von Favati heißt es aber im selben Vers lannarca statt lannarca, daher läßt sich der Satz auf frutto (Z. 5) statt auf terra beziehen. Für diese Lesart hat sich die hier vorliegende Übersetzung entschieden: »und welcher der Wind ist, der sie (die Frucht der Erde, die Pflanze) krümmt und aufrichtet«
12 Bettina: wahrscheinlich die Ehefrau des Freundes
*
Guido Cavalcanti
LE RIME DIE GEDICHTE
Italienisch Deutsch
nach einer Interlinearübersetzung
von Geraldine Gabor
in deutsche Reime gebracht
von Ernst-Jürgen Dreyer
mit Anmerkungen zu den Gedichten
von Geraldine Gabor
DIETERICHSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
MAINZ
Seite 126 + 127
Zurück zu Ernst-Jürgen Dreyer
Zurück zur Sonettübersetzung
Copyright 1991
DIETERICHSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
MAINZ
|