Abgeschickt von Frank Walter am 21 Oktober, 2004 um 16:56:48
Die längste Dauerwurst aller Zeiten
Der größte Hanswurst aller Zeiten ist
- und glaubt mir, Größe, das hat was zu sagen! –
Der Kant, er dachte bis zur Lebensfrist,
Dass stets das Leben säße überm Kragen.
Dass es auch Tierisches, man sagt Instinkte,
Emotionales auch Verdrängtes gibt,
War seinem Buckelstolz zu fern, dies kränkte
Die Eitelkeit, die sich nur selber liebt.
Und weil er der Erfahrung widersprach,
Sie war ihm rote Ampel mehr als Tuch,
Geriet er widersprüchlich nach und nach
In einen babylonschen Gottesfluch.
Denn sich von Muttererde strebend trennen
Zur Vaterwelt, zu Gott, heißt sich verrennen.
Doch halt, ich laufe schon in jene Falle,
In die man Kinder lockt seit Platos Zeiten,
Denn Plato war es, der uns listig alle
Mit seinem Höhlengleichnis wollte leiten.
Den Einheitsgott hat er uns aufgepflanzt,
Und klug war er, er dachte an den Staat.
Die Herrschaft hinter Illusion verschanzt,
Das war es, was er mit dem Gleichnis tat.
Wenn er aus allen Widersprüchlichkeiten,
Aus Menschlichem den Eidos sublimierte,
Dann reduzierte er die Eigenheiten
Des Menschentiers, damit er es nun führte.
Er führte und verführte es zum Glauben.
Dies war der Sinn in seinem Sinne-Rauben.
„Wie viel Jahrhunderte“, so fragte sich
Canetti, „würden noch bei Plato plündern?“
Die längste Dauerwurst, so frag ich mich,
Schmeckt sie noch heut so gut wie frühren Kindern?
Jawohl, der Glaube an den Geist, er lebt.
Es scheint nur dumm, ihm einen Namen geben.
Im Dogma bleibt man stehn, wenn man so strebt
Und glaubt im Vielen sei das echte Leben.
Dionysos, den Nietzsche so verehrte,
Führt uns hinab ins Wunderreich der Sinne.
Kaum dass man sich im Leiden dort verzehrte,
Will man zurück ins Licht und ruft: „Ich spinne!
Wie konnt ich nur in diesen Sümpfen wühlen.
Das Denken ist gesünder doch als Fühlen“.
So wirbt Apollo, buhlt Dionysos
Um unser Herz, sie sind die Volksbegleiter.
Sie blenden uns mit ihrem Märchenschloss,
Mal steigt man hoch, mal tief auf ihrer Leiter.
Das Auf und Ab, wir sehen die Geschichte,
Es wechselt krass, der Glaube kommt und fällt.
Dies wusste Kant und mit Gedankendichte
Hat er die Dauerwurst erst abgepellt.
Da trat er schon auf Platos Vogelleim,
Denn wenn bewiesen war, das „Wurzel zwei“
Nicht darstellbar im Bruch, dann schien der Keim
Gepflanzt, der Baum der Transzendenz nun frei.
So übernahm er von Pythagoräern,
Mit reinem Geist sich Göttern anzunähern.
Die letzte Wahrheit ließ sich hier belegen,
Dass es Nicht-Rationale Dinge gab.
Die Zahlenkunst schien allem überlegen,
Und über sie brach niemand seinen Stab.
Ja selbst die Mönche pflegten dieses Wissen,
Veredelten in Keuschheit Männerdenken.
Die Leidenschaften hätten es zerrissen,
Man wollte Geist nach oben, aufwärts lenken.
Wie Plato, der von Höhlenmenschen sagte,
Dass sie im Diesseits nur den Schein erfassen,
Erzog man nun die Jünglinge, verjagte
Das böse, Fleischbesessne aus den Massen.
Der Hexenwahn war eines der Symptome
Wie die Physik und Spalten der Atome.
Ich will den Streit nun nicht im Sieg beenden,
Zu mickrig ist mein erbsenhaftes Hirn.
Auf einer Seite stehn, heißt andre schänden,
Zu Große hatten dies schon in der Stirn.
Die größte Dauerwurst, sie hat zwei Enden,
Unendlich ist sie, doch begrenzt am Rand.
Ob hier selbst Einstein nur von Innenwänden
Des eignen Geistes schloss und draußen fand,
Im All, was nur die Projektion des Einen,
Der einen Seele, die sich selbst erfährt?
So würde es der kluge Sigmund meinen
Und Metaphysisches wär nun zerstört.
Doch nein, gerade hier ist der Beginn,
Denn Geist weht auch in diese Leere hin!