Illusionen


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.fulgura.de ]

Abgeschickt von Frank Walter am 26 Oktober, 2004 um 19:48:33

Illusionen

Aloysius Bertrand, ich zolle dir
Und deiner Imagination Tribut.
Wie du Scarbo, den Gnom, den Trickster mir,
Den bösen Narren, der das gute tut,

Viel zauberhafter in die Eingeweide
Einpflanztest als es Goethe schaffte.
Im Keller unter der Bewusstseinsscheide,
Wo er die goldnen Teufelsmünzen raffte,

Sie trug bei Vollmondlicht zum Dach hinauf
Und dann vom Dach hinunterprasseln ließ,
Mit einem Auge nur zum Mondenlauf,
Den Klageschrei aus seiner Seele stieß:

„J’achèterai le pilori, und dachte,
Dass ihn damit nun niemand mehr verachte.


Doch immer nur bei Nacht schlug er die Gulden,
Vergeblich blieb der Narr im Mondlicht wach.
Zu schwach war er, die Last zu schwer der Schulden,
Nachdem man ihm einst Kreuz und Seele brach.

Wie Künstler träumte er vom Sonnenschein
Und von der Macht, den Pranger zu besitzen.
Nie mehr allein, geliebt, bewundert sein,
So ließ er seine goldnen Münzen blitzen.

Doch Narren, liebe Jungindianer, hört!
Sie sind nicht archetypische Gebilde.
Gefoltert werden sie, zum Narr zerstört,
Von Mächtigen, die Böses führn im Schilde.

„Ich teile und ich herrsche“, sagt der Kluge,
Und Glaube sei der Bass in meiner Fuge.

Nie mehr allein, geliebt, bewundert sein,
Sich sehnen wie die Kinder nach der Mutter.
Scarbo, der Gnom, der Narr, stand nicht allein,
Es gab ihn früher schon, fragt nur den Luther!

Den Wittenberger Psychopathen fragen,
Im Abgrund seines kranken Denkens wühlen,
Heißt in den Dogmatismus dreinzuschlagen
Und Teufelsspuk nicht mehr als Böses fühlen.

Wie er aus eigner, innrer Geistesspaltung
Prophetengleich den Apfel warf zum Zank,
Zeugt nur von Machtgier, altbekannter Haltung,
Die dem Komplex entstammt „Skelett im Schrank“.

Solch konterphobische Metapher kennen,
Heißt Todesangst, das Kind, beim Namen nennen.


Die spannungsvolle Angst beim Namen nennen
Ist nicht beliebt, man strebt nach Illusionen.
Man wählt von Bildern, die wir davon kennen
Stets solche, die uns angenehm belohnen.

Wenn uns die Angst vor einem Stier anpackt,
Dann strebt der Traum danach, sie abzumildern.
Die Lage Luthers war nun so vertrackt,
Dass seine Seele sprach in Teufelsbildern.

Was bei den Dichtern goldne Münzen prägt,
Um anerkannt die Sonne zu genießen,
Wird bei den Psychopathen stets, was schlägt
In Untrigkeiten drein, zu Blutvergießen.

Der Gnom Bertrands trägt eine Narrenkappe,
Der Teufel Luthers ist ein Kriegsschildknappe.


Fünfhundert Jahre später zu verdammen,
Moralisch Nasen rümpfen, das geht leicht.
Den Keil des Besserwissens reinzurammen,
- Ich bin kein Lehrer – ist mir allzu seicht.

Und außerdem ist jedes Besserwissen
(Die Leiter mit den Sprossen aus Moral)
Unendlich hoch, so schlag ich vor gerissen,
Hinabzusteigen in die Angst und Qual.

Es wäre falsch, es masochistisch nennen,
Dann wären wir von Machtgier noch beseelt.
Wir würden uns wie Martin Luther trennen
Von einer Angst, die alle Wesen quält.

Der Wittenberger Psychopath war krank.
Ich kenn den Einen nicht, und Gott sei Dank!


Wenn nämlich einer oben nur steht Wache,
Dann trägt der Teufel, der im Traum erscheint
Den Hass der Einsamkeit und seine Rache
Wird grausam sein und niemals gut gemeint.

Der Teufel von Bertrand wird solches meiden,
Er ist ein Narr mit Freude und mit Lust,
Entstellt ist er, gefoltert, kennt das Leiden
Und harmlos bleibt er selbst im größten Frust.

Er trägt, verbunden ist er mit den Schmerzen,
Die Menschlichkeit, die Luthers Teufel fehlt.
Die Menschlichen, sie stiften keine Kerzen
Und machen nichts, was andre Menschen quält.

„Wer’s glaubt wird selig“, spricht das große Rohr.
Die Dauerwurst kommt uns jetzt Spanisch vor.

Die Dauerwurst mit ihren Leitersprossen
- Zum Himmel hoch, da ging sie hin –
War damals nicht umsonst dorthin geschossen,
Wo Gott mit seinem Sohn saß noch darin.

Da stieg der Heiland schon hinab vom Himmel,
Weil Vati ihm den Auftrag gab: Erlöse!
Auf einem Esel, nicht auf einem Schimmel,
Ritt er ins Unglück, denn der Mensch ist böse.

Und siehe da, weil nun ein Teil von oben
Geopfert wurde zwecks der Menschlichkeit,
War unser Glaube nicht mehr so verschroben
Und unser Himmelreich nicht gar so weit.

Denn Götter, die auch leidend sterben können
Besänftigen das teuflisch innre Brennen.


So ziehe ich den Hut vor Illusionen,
Vor dir, Bertrand, zieh ich die Narrenkappe.
Das Schellenklingen tönt noch in Äonen
Und Jungindianern füge ich die Schlappe,

Die größte Niederlage zu, die geht:
Wer Archetypen postuliert, weiß nicht,
Dass er auf Dichterillusionen steht
Und nicht aus gottgegebnen Quellen spricht.

So provozierte Freud mit eignen Mythen.
Er war so listig wie von Goethen.
Vor allen Mythen sollt ihr euch behüten,
Sie sind gefährlich, weil Sirenen flöten.

Dies ist mein Nihilismus, folgt mir nie,
Denn so was zwingt die Stärksten in die Knie!





Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Ihre Antwort ] [ Forum www.fulgura.de ]