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Arno Holz (1863 – 1929)

Friedrich Rückert (1788 – 1866)

Hermann Allmers (1821 – 1902)

Dank für den Lindenzweig
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Ich atmet’ einen linden Duft.
Im Zimmer stand
Ein Angebinde
Von lieber Hand
Ein Zweig der Linde;
Wie lieblich war der Lindenduft!

Wie lieblich ist der Lindenduft!
Das Lindenreis
Brachst du gelinde;
Ich atme leis
Im Duft der Linde
Der Herzensfreundschaft linden Duft.


Friedrich Rückert

(als Lied komponiert von Gustav Mahler)


Ur-Phantasus (1. Heft, 1898)
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Ich trat in mein Zimmer.

Die Fenster standen weit auf,
draussen
schien die Sonne.

Wie wunderbar,
Rosen?
Ein ganzer Strauss!
Weisse, gelbe und dunkelrote ...

Ah, wie das duftete! Wie das wohl that!

Und ich stellte das Glas wieder auf meinen Schreibtisch.

Dort steht es und schimmert nun,
und in Alles, was ich schreibe, fällt sein schöner Schein.

Du Liebe, du Gute!


Arno Holz


Kommentar von Klaus M. Rarisch unterm 5. April 1997

Zwei Liebesgedichte – zwei Welten! Das Motiv – ein Dichter findet in seinem Zimmer ein duftendes Geschenk der Liebsten vor – ist in beiden Texten identisch. Wobei es belanglos ist, daß Holz den Rückertschen Lindenzweig durch Rosen ersetzt hat. Rückerts virtuose Reime kreisen um das Wortspiel »linden Duft / Lindenduft«. Er nimmt den Lindenzweig ausschließlich durch den Geruchssinn wahr. Ganz anders Arno Holz: bei ihm wird die primär optische Wahrnehmung dynamisiert. Das Sonnenlicht fällt auf den Rosenstrauß (dessen Duft nur als sekundärer Reiz wirkt) und bringt die Glasvase zum Schimmern. Im Lichtreflex der Vase erweisen sich die Zeilen des Schreibenden – offenbar sind es Liebesverse – als illusionärer »schöner Schein« – die Geliebte wird ihn verraten, auch wenn ihm das jetzt noch nicht bewußt ist. Mit dieser selbstironischen Zukunftsperspektive geht Holz weit über den bieder-eindimensionalen Rückert hinaus. – Wie auch für das Beispiel Allmers/Holz ausgeführt, sind beide Texte formal extrem unterschiedlich strukturiert, aber gleichermaßen schätzenswert.


Feldeinsamkeit
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Ich ruhe still im hohen grünen Gras
Und sende lange meinen Blick nach oben,
Von Grillen rings umschwirrt ohn Unterlaß,
Von Himmelsbläue wundersam umwoben.

Und schöne weiße Wolken ziehn dahin
Durchs tiefe Blau, wie schöne, stille Träume; –
Mir ist, als ob ich längst gestorben bin
Und ziehe selig mit durch ewge Räume.


Hermann Allmers

(als Lied komponiert von Johannes Brahms)



Ur-Phantasus (1. Heft, 1898)
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Schönes, grünes, weiches Gras.
Drin liege ich.
Mitten zwischen Butterblumen!

Ueber mir,
warm,
der Himmel:
ein weites, zitterndes Weiss,
das mir die Augen langsam, ganz langsam
schliesst.

Wehende Luft, ... ein zartes Summen.

Nun bin ich fern
von jeder Welt,
ein sanftes Roth erfüllt mich ganz,
und deutlich spür ich,
wie die Sonne mir durchs Blut rinnt –
minutenlang.

Versunken Alles. Nur noch ich.

Selig.


Arno Holz


Kommentar von Klaus M. Rarisch unterm 5. April 1997

Vor allem durch die Komposition von Brahms wurde dieses metrisch (jambisch-fünffüßig) gebaute und konventionell gereimte Gedicht von Hermann Allmers im 19. Jahrhundert sehr bekannt. Ganz offensichtlich hat Arno Holz die Motive von Allmers in seine Phantasus-Mitelachsenform des »notwendigen Rhythmus« transformiert. (Ein weiteres Motiv aus dem Gedicht von Allmers hat er in dem Phantasus-Gedicht »Ueber die Welt hin ziehen die Wolken« verwertet.) Dabei hat Holz den Symbolismus der Vorlage (»als ob ich längst gestorben bin«) auf das natürlich-schlichte »Nun bin ich fern / von jeder Welt« reduziert. Unbegreiflicherweise ist dieses Musterbeispiel eines formalen Paradigmenwechsels in der bisherigen Sekundärliteratur unbemerkt geblieben. Die Freunde von Holz hätten die Erwähnung vielleicht als Herabsetzung empfunden; seine Gegner waren wohl nicht belesen genug. – Welche Form überzeugender ist, muß der Leser selbst entscheiden. Niemandem, der Allmers vorzieht, wäre das zu verübeln. Existenzberechtigung haben beide Formen, denn in der Kunst gibt es Entwicklungen, aber keine »Fortschritte«.


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