Es handelt sich um das Sonett Nr. 138 des Verfassers. Zum Vergleich:
Shakespeare schrieb
Platen schrieb |
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154 Sonette
87 Sonette
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(=
(= |
111,6 % von 138);
63,0 % von 138).
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Der fünffüßige Jambus ist das gebräuchlichste Metrum in der deutschen Lyrik. Dementsprechend hat das Sonett 70 metrisch betonte Silben; die unbetonten spielen keine Rolle, zumal es in »Festina lente« keine Synkopen gibt. Über die »erlesenen Reime« (Brief von Lothar Klünner vom 30.12.1998) und über den »clownesken Klirrton der Extremreime« (Brief von Robert Wohlleben vom 28./29.12.1998) ist hier nichts weiter zu sagen. Aber eine Analyse des Vokalismus mag nützlich sein. Die betonten 70 Silben ergeben das folgende
Lautschema:
Vers
"
"
"
"
"
"
"
"
"
"
"
"
"
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1:
2:
3:
4:
5:
6:
7:
8:
9:
10:
11:
12:
13:
14:
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2 o / 3 i
i / ö / ei / e /a
3 e / ei / a
2 au / 2 o / e
3 a / ei / e
2 o / 2 a / i
2 o / ö / e / a
ä / i / 2 ei / a
2 a / 2 o / i
ei / a / ä / au / e
i / o / ei / u / e
2 i / 2 ü / o
a / o / 2 i / e
2 ei / 2 i / e
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Aus diesem Schema die Häufigkeitstabelle:
i:
o:
a:
e:
ei:
au:
ö:
ä:
ü:
u:
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=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
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20,00 %
18,57 %
18,57 %
15,70 %
12,86 %
4,29 %
2,86 %
2,86 %
2,86 %
1,47 %
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Im Gegensatz zu dem üblichen jambischen Metrum ist die Häufigkeitsverteilung der Laute und damit der Vokalismus äußerst ungewöhnlich. Die (End-)Reimlaute sind o, a und e; sie weisen eine entsprechend hohe Häufigkeit auf. Das i, obwohl kein Reimlaut, überwiegt aber noch in der Häufigkeit. Das i reflektiert klanglich das Thema des Sonetts, die monomanische Selbstbespiegelung und Konzentration auf das lyrische Ich, wenn auch das Wort »ich« in der Nominativform bewußt ausgespart wurde. Die Vokale o und a rangieren in der Häufigkeit noch vor dem e, das hier ebenfalls Reimlaut ist und das als meistgebrauchter Vokal der deutschen Sprache »eigentlich« im Text überwiegen müßte. Wegen seiner Flachheit wurde das e vom Verfasser zugunsten klangvollerer Laute quantitativ reduziert. das zwar nicht als Reimlaut fungierende, aber trotzdem außergewöhnlich häufig eingesetzte ei unterstreicht klanglich die Scheinhaftigkeit der lyrischen Selbstbespiegelung, die »Verborgenes hervorzerrn« will, die aber außer infantilen Reminiszenzen keine Erkenntnis zum Problem des Erwachsenwerdens und Alterns ans Licht fördern kann. Eine »Schuld« des Ich existiert nur im Bereich des »als ob«, im Wahn. Deshalb steht der Vokal u des Wortes »Schuld« als einziger im gesamten Text isoliert da, obwohl das u im Umgangssprachgebrauch häufiger anzutreffen ist.
Wer ist der »wahre Popanz« aus Vers 13? Er hat offenbar mit seinem scheinhaften, in der Zeile gekünstelt mit zwei ü-Lauten geschmückten Namensvetter aus Vers 12 nichts zu tun. Erst der »wahre Popanz« blickt hinter den Schein der illusionären Selbsterfahrung und präsentiert das Ich in seiner ganzen Verlorenheit und Verlogenheit. Noch der Schlußvers ist eine Lüge, ein hilfloser Selbstbetrug des Ich, dem die Instrumente nicht nur »zuweilen«, sondern tagtäglich gezeigt werden.
1. Januar 1999
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