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Martin Erdmann:
Lange Nacht – Geschichte des Sonetts
(3. VI. 2006 im Deutschlandfunk)


Sonettmaterial der Sendung:

 

Petrarca (Übersetzung: Ernst-Jürgen Dreyer) / Shakespeare (Ü.: Stefan George) / 2 Alexandriner-Sonette von Andreas Gryphius und Paul Fleming / Baudelaire (Ü.: Stefan George) / Stefan George: »Neuländische Liebesmahle« I / Rilke: 2 Sonette / Mallarmé (Ü.: Karl Fischer) / 2 chinesische Sonette (Ü.: Wolfgang Kubin) / Jiddische Sonette (Dichter unter Stalin ermordet) / Tschechische Sonette / Polnische Sonette / Heiner Müller (1929–1995): 2 Sonette (»Traumwald«, »Vor meiner Schreibmaschine«) / Rudolf Borchardt (1877–1945): »Abschied vom Sonett« / Robert Gernhardt (geb. 1937): »Petrarca-Sonett« (Akrostichon)

Wertung:

Für die Sendung spricht, daß Erdmann die beste Petrarca-Übersetzung gewählt hat, nämlich die von Ernst-Jürgen Dreyer.

Dagegen spricht, daß spanische Sonette fehlten; desgleichen die Sonette von Giuseppe Gioacchino Belli (1791–1863), also des besten italienischen Sonettisten nach Petrarca. Ferner fehlten gänzlich deutsche Sonette der Romantik und des Expressionismus.

Die chinesischen Sonette waren als solche nicht zu identifizieren, da nur reimlose Prosaübersetzungen geboten wurden. – Die jiddischen, tschechischen und polnischen Sonette waren nur für Kenner dieser Sprachen nachvollziehbar; auf diese exotischen Beispiele hätten die Zuhörer wohl gern verzichtet.

Das entscheidende Defizit der Sendung ergibt sich aus der Einleitung des Autors Erdmann. Darin wird die Geschichte des Sonetts »bis in die unmittelbare Gegenwart« angekündigt. Tatsächlich jedoch präsentierte Erdmann nur ein einziges Beispiel eines lebenden deutschen Sonettisten (Gernhardt). Somit wurde die Chance verschenkt, in der knapp dreistündigen Sendung die deutsche Gegenwartssonettistik gebührend vorzustellen.

Daher muß mein Urteil lauten: Thema verfehlt!!!

Klaus M. Rarisch



 


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