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Klaus M. Rarisch

Berlin, im April 1981

Sehr ehrenwerte Freunde!

Wenn ich Ihnen hier mein soeben erschienenes Büchlein »Das Ende der Mafia« zu überreichen wage, so nicht ohne gewisse Vorbehalte, die sich aus der Natur (oder richtiger: Unnatur) der Sache selbst erklären. Denn wir wissen es doch: Eine Mafia gibt es nicht, hat es nicht gegeben und wird es nie geben. Es existiert ja noch nicht einmal eine Theorie der Mafia – wie sollte da von einer real existierenden Mafia zu sprechen sein? (Oder, wie der Nominalist fragen würde: Sind etwa unreflektierte Entitäten als ontisch zu fassen?) Aber positus gesetzt den Fall, es hätte jemals eine Mafia gegeben, so wäre deren Ende denkbar. Ob jedoch dem hypothetischen Ende der Mafia außerhalb des Denkens ein wirkliches entsprechen könnte, bliebe fragwürdig, des Fragens würdig. Weit davon entfernt, diese Frage selbst stellen zu wollen, versucht das vorliegende Büchlein nur, sich dem Indiefragwürdigkeitgeworfensein zu stellen.

Gäbe es die Mafia, müßte sie schweigend zuende- und weggedacht werden, nach der philosophischen Maxime: »Worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen.« Da die Mafia aber nicht existiert, kann sie auch niemanden daran hindern, die aus ihrer bloßen Nominaldefinition resultierenden Probleme zu erörtern. Sie, meine sehr ehrenwerten Freunde, zählen zu den Denkenden, wohl auch zu den Lesenden und womöglich sogar zu den Schreibenden. Wenn Sie das Büchlein nach der Lektüre des Nach-Denkens wert befinden: Zögern Sie nicht, Ihre Denkergebnisse zu Papier und vor eine interessierte Öffentlichkeit zu bringen. Verlag und Autor würden es Ihnen zu danken wissen.

Mit verbindlichsten Empfehlungen
Ihr sehr ergebener
Klaus M. Rarisch



Verlag

den 14. April 1981

Lieber Klaus M. Rarisch!

Du hast mir kürzlich rübergeschickt, was Du als Anschreiben beim Verschicken von Freiexemplaren der »MAFIA« dazutun willst. Du faßt das so richtig mit »Power« an, daß mir ein bißchen blümerant dabei wird. Will ich ein bißchen erklären.

Als nun wirklich noch kleinem Verleger liegt mir natürlich schon sehr viel an reichlich Rezensionen übers »ENDE DER MAFIA«. Aber trotzdem: Ich für mein Teil bekniee nur Wenige ernsthaft wegen Besprechung.

Kleinmut, Pessimismus oder Minderwertigkeitsgefühle dürften weniger die Ursache sein, – sonst würd ich das Dinx ja nicht drucken lassen. Ich versuch, die Gründe für meine Zurückhaltung klarzukriegen:

Ich hab den Eindruck, daß die Literaturgattungen von Streit- bis zu Schmähschrift (oder meinswegen: von Pamphlet bis Pasquill) mittlerweile ziemlich außer Gebrauch gekommen sind. Sie sind nicht mehr vertraut. Ich erwarte folglich u. a. diverse Berserk-Reaktionen: So als würde ich jemandem in die Fresse geben, nur weil er mir beim Schachspiel die Dame wegnimmt (was ja mit meinen Fehlern zu tun hätte). Bringt das was?

Ein andrer Grund: Das »ENDE DER MAFIA« tritt einer Heiligen Kuh auf den Schwanz. Was mag es bringen, wenn Holy Cowboys oder die Anbeterschaft das Sakrileg spitzkriegen? Nu: Der Mensch ist aus Lehm gemacht und schmeißt damit. Oder wenn er ganz unanjenehm berührt ist, ignoriert er strikt. Da hast Du dann das kuschelige Gefühl von rundrum nur Watte.

Dann auch noch: Wird wohl gecheckt, wie das »ENDE DER MAFIA« das Ende von Ritualisierungen im Sinn hat? Wir sollten vielleicht doch dran denken, »auf Wunsch« den zugrunde gelegten Artikel von Marcel Reich-Ranicki aus der FAZ zu verschicken, um deutlich zu machen, wie Dein Text den Originalton von Ritual »zur Kenntlichkeit entstellt«. Aber nimm mal Abhängigen die Droge weg! – Ich hab ausreichend im »Privatbereich« Ritualisierungen erfahren, – was da an Selbstbestimmung und Person den Bach runtergeht!

Drei- bis auch mehrmal darfst Du raten, WARUM ich im Angesicht dieser achselzuckenden Bedenken das »ENDE DER MAFIA« verlege. Komm mir nicht mit der hochironisch ausgefeilten Sprachform oder so! Vielleicht noch mit Teschaus lebendiger Typographie! Oder ich sei eben einfach ein Katastrophenfreund. Du ahnst es: In meinen Bedenken sind auch Gründe verbuddelt.

Wolln mal sehn.

Ich grüß Dich:
Robert