Als vor einiger Zeit in dieser Zeitschrift eine Rezension des lyrischen Monologs »Der Tod ein Traum« des Berliner Schriftstellers Klaus M. Rarisch erschien, war ein Mitgrund für die Besprechung das starke Interesse des Österreichers für alle Dinge, die mit Venedig zusammenhängcn, also quasi ein altösterreichisches Sujet. Wer sich damals verlocken ließ, zum Buch zu greifen, fand einen eigenwilligen und wortstarken Autor mit Sinn für das Skurrile. Nun ist als eine erste Zwischenschau seines Werkes eine Auswahl von 75 Gedichten aus dcn letzten 25 Jahren erschienen. 25 Jahre dauert allerdings auch schon der Kampf Rarischs gegen die Literatur-Mafia, wie er eine Gruppe etablierter deutscher Autoren bezeichnet, die sicher auch dazu beigetragen hat, daß Rarisch in der literarischen Öffentlichkeit nicht genug herauskam. Ein Kritiker, der, wenn er auch manchmal übers Ziel hinausschoß, mundtot gemacht werden sollte. Mehrere Traditionen sind in den Gedichten Rarischs erkennbar: Arno Holz und die Expressionisten, Dada und Gottfried Benn. Die besondere Spezialität von Rarisch ist das Sonett, das er, nachdem es schon ausgestorben schien, zu neuem Leben erweckte. Beschaulichkeit darf man allerdings von ihm nicht erwarten; er faschiert und provoziert, er injuriert und insultiert. Er schließt sich ein und schließt sich aus. Manchmal schließt er auch die anderen ein, meistens aber schließt er sie aus. Man braucht für die Gedichte Rarischs viel Geduld mit sich selbst. Er betrieb Zeitkritik mit Versen. Also auch ein politischer Dichter. Ein sich und andere quälender Wahrheitsfinder, dessen Schnoddrigkeit beim Erfinden neuer und dessen Unbelastetheit beim Gebrauch vorbelasteter Wörter nicht täuschen sollen. Ein witziger Sprachspieler, ein Gaukler und Mönch der es manchmal mit Tod und Satan treibt. Herbert Fussy
Hinter Rarischs Feder verbirgt sich ein illustrer Literat im besten Sinne des Wortes. Vieles von früher floß durch ihn durch, französische Symbolisten und Arno Holz (dessen Nachlaß er gewissenhaft verwaltet), die frühen Expressionisten und Gottfried Benn, ein bißchen bitterer Wilhelrn Busch und viel Dada. Ein letzter Expressionist, aber kein Eklektiker. Einer der Stilsucher der ersten Nachkriegsgeneration, von der plötzlichen politischen Stille und der Alltagsleere irritiert und vorerst mal die traditionellen Kanäle durchtastend. Existentielle Aufschreie eines jungen deutschen Zeitgenossen der großen französischen Existenzialisten, schnell gezeichnet von der unbezwinglichen Klammer oder auch Ablehnung des rasch sich neu konstituierenden Literatur- und Kulturestablishments. Ein früher Ausweg des Vor-66ers: die Gegenposition. Das Zeitgeschehen kommentierend (und dadurch auch ein politischer Dichter) und die verschwiegenen Hintergründe nachätzend. Aber weil oft ungehört, zum Gegenteil des Proklamatorischen ebenso umschlagend, nämlich zum Verschlüsseln, zum hermetischen Abschließen, zum Spiel mit ungekünstelten Metaphern, Kaskaden bauend, aufladend, überbürdend, jugendlich-schnoddrig bis zynisch, urgewaltig gegen Bürokratismus und Klerikalismus, Institutionalismus und Nihilismus wütend und durch das alles schwer gezeichnet, aber auch geläutert. Die ersten 25 Jahre. Mehr als eine Zwischenbilanz? Herbert Fussy |
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