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Über das Sonett »Weibsbilder«
von Klaus M. Rarisch
Aus Briefen an den Autor


Ihre »Weibsbilder«, die mich heute früh erfreuten, dürften eines der frechsten und witzigsten Sonette Ihres gesamten Werks sein. Dabei handelt es sich doch fast um eine tragische Angelegenheit, die sich zwar als Traum enthüllt, aber auch für das wache Leben des Liebhabers sowohl von Franziska als auch Renate und Regina nicht eben eine lückenlose Zukunft zu verheißen scheint. Das Ganze stellt man sich als mit spitzer Zunge vorgelesen vor und das in jener eben dafür notwendigen Leichtigkeit, die sich im Laufe der Jahre bei Ihnen immer mehr in den Vordergrund gedrängt, nein: geschlichen hat. [...] Noch der letzte Satz beweist es: ohne pädagogisch zu sein, könnte er zum geflügelten Wort werden: »Da wurde sie zur Katze. Ich erwachte.«

Heinz Ohff, 2.4.2002

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Das ist ein ganz zauberhaftes, feines, grammatisch fast unhörbar, wie auf Samtpfoten einherkommendes Gedicht, das in den Terzetten eine subtil-sublime Reinheit findet, sozusagen sich »alchimistisch« läutert. Die reichen Reime haben aber auch gar nichts »Humoristisches« mehr; sie sind, vermutlich auch wegen ihrer grammatischen Verschiedenheit (»benommen zwar«; »wahrnehmen«; dann Plusquamperfekt von »durchkommen«), ebenfalls »fast unhörbar« jedenfalls vollkommen unaufdringlich, kurz: ebenfalls samtpfoten- und katzenhaft. Und wie in eine Pointe läuft das Gedicht in einen dreizeiligen syntaktischen Zusammenhang aus, dessen letztes Wort »Katze« den Schlüssel bietet (den man in Zeile 3/4 schon ahnt, so daß man in Z. 14 sehr befriedigt ist, recht zu haben). Gegen diesen langen Satz noch einen kurzen: Ich erwachte. Wieder ein Schlüssel. Auch diesen hat man schon geahnt: »benommen ... verschwommen ... da wurde sie zur Katze«. Aber in »Ich erwachte« bleibt doch ein Rätsel: hat da einer geträumt, und seine Wahrnehmungen sind noch die verschwommenen des Traums? Oder bereitet sich das Erwachen schon vor, und bevor es im letzten Satz Wirklichkeit wird, hat man schon die ersten – noch verschwommenen – Wahrnehmungen der Wirklichkeit? Hat nun einer von Katzen geträumt, und nun sind es Frauen? oder träumte er von Frauen, und nun sind es Katzen? Geschieht die Verwandlung – welche auch immer – im Traum, und bei »Ich erwachte« sind sie beide weg? die Frauen? und die Katzen? Sie haben sich ja schon im Traum so überlagert, daß man nicht weiß, ob Franziska nicht – trotz der »Pfoten« – wirklich eine Kleptomanin ist? Renate wird vielleicht ein wenig weniger katzen- und weibs»bildhaft« – aber vielleicht ist sie die unschuldig lebenslustige Frau (Katze); und die dritte? eine Frau am Schachbrett kann sich tatsachlich bei wacherem Hinsehen als Katze entpuppen – oder umgekehrt! So daß einem schließlich noch das Wort »spielen« zweideutig wird – spielt nicht auch die Katze? mit der Maus? oder dem Vogel? und das Wort Bauer dazu: der Bauer? das Bauer? Ja der Name »Regina« selbst: Geht es um die Königin?

Das ist nicht alles, was mir zu dem Gedicht spontan einfällt –interessant wäre auch die Frage, wieso die Frau, als ihr Bauer durchkommt, zur Katze wird; und was das eigentlich bedeutet: zur Katze werden ...? (»zur rasenden Wildsau werden« ist ja bekannt). Was will die Katze von Dir, wenn Du erwachst? [...] alle diese Fragen sind nur Ausdruck der erotischen Spannung, die sich in dem Gedicht aufbaut, vielleicht schon bei »wie sie lachte« ... Die Frau als mehrdimensionales Wesen und der Mann hoffnungslos eindimensional ihr gegenüber?

Ernst-Jürgen Dreyer, 11.4.2002

 

     
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