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Ein Buch für Buster Keaton

Watn Wetter wedder! – So schafft sich die niederdeutsche Seele im Stabreim Luft. Das Phänomen ist sattsam bekannt. Eine der geläufigsten Theorien lautet: seit sie mit Pfeil und Bogen schießen, ist da wat inner Atmosphäre durcheinander. Manche halten dies für eine Verharmlosung, und New York wäre das kommende Atlantis ... Doch ich will hier nicht in den wetterweltpolitischen-wetterphilosophischen Diskurs einsteigen; denn es geht um das vorliegende Werk, und das ist quasi eine lupenreine Phänomenologie seines Gegenstands.

Rarisch und Wohlleben sen. sowie jun. legen vor: Donnerwetter – ein Titel, der in seinem polyvalenten Lakonismus an das berühmte »Na, Prost!« von Paul Scheerbart erinnert – ein meteorologisches Handbuch, das endlich einmal zur Sache kommt.

Allein das Vorwort von Lothar Kaufeld vom Seewetteramt Hamburg ist die Anschaffung dieser Arbeit wert. Was dieser nüchteme Wissenschaftler für optimistische Funken aus seinem Gegenstand zu schlagen vermag, nötigt alle Bewunderung ab.

»Mag auch der Volksmund«, so sagt er, »immer wieder die Nase rümpfen über schlechtes Wetter, wie zum Beispiel Schnee im August oder August im Schnee, sic, so ist dieses doch immer noch besser als gar keins.« Doch es kommt noch dicker. Denn dies ist mitnichten eine wettermäßige Appeasement-Postille. Schon die als gereimter Zweizeiler getarnte Frage: »Ob die Wolke überm statistischen Landesamt / wohl aus faschistischem Lande stammt«, läßt das bewegte Satellitenbild durchaus in einem anderen Licht erscheinen. Sehen wir uns die Sache einmal genauer an.

Zur Einstimmung findet der geneigte Leser eine Abhandlung über die Geburt des Wetters und der Kultur in sieben Zweizeilern. Und dann kommt es auch schon knüppeldicke. »Mit der Heimat im Herzen ...« ist das erste der zehn Kapitel überschrieben. Und es bringt eine gleichsam umfassende empirische Studie über das Wetter in zahlreichen Orten der Bundesrepublik Deutschland. Und das hört sich dann so an: »Des Lebens höchste Güter roh / vermiest uns das Wetter in Gütersloh.« Oder: »Wetter nie ohne ein paar Tücken / in Saarbrücken.«

Eine ausgesprochen gefährliche Gegend scheint auch die Heimat des niederdeutschen Dichters Klaus Groth zu sein, denn: »Wenns richtig windet in Quickborn / dann findet man sein Genick vorn.« Alles in allem gesehen jedenfalls: trübe Aussichten.

Und ohne daß wir mehr als den Finger zu rühren brauchen, um die Seite umzublättern, geht es »... durch die Weite Welt«. Da kann man erst recht sein blaues Wunder erleben. Und alles in höchst irritierend gebauten Zweizeilern.

Denn das ist der Trick. Alles in diesem Buch, außer dem Vorwort und den Nachbemerkungen des Herausgebers Alfons Teschau, besteht aus Zweizeilern. Achten Sie darauf, meine Damen und Herren: »Auch am Mekong / wird man seekronk.« So ist dieses Buch neben seinem wissenschaftlichen Erkenntniswert auch eine Fundgrube für Germanistikstudenten, die sich mit den verschiedensten Formen des Reims herumzuschlagen haben. Wer’s selber versuchen will, wird merken, wie trickreich die Reime gebaut sind. Wie wäre es etwa mit diesem aus dem Kapitel »Aus der Welt des Geistes und der Geister«: »Die Kunst hat die Tendenz, die tränenwassertreibende / Doch stur ist die Natur, das ewig nasser Bleibende.«

Ein Kapitel über den Regen und ein Kapitel über den Wind dürfen nicht fehlen. Die Überschrift des letzteren, »Der Athem des Boreas«, dürfte dem Arno-Schmidt-Kenner und Mitarbeiter des Bargfelder Boten Robert Wohlleben senior zu verdanken sein.

Unter weiter geht’s mit »Tempi passati«, ein Wetterlauf durch die Geschichte, worauf der Leser im Kapitel »Aus der Welt des Geistes und der Geister« bei den Windhosen der Kultur zu Atem zu kommen versucht. Doch Nebbich. Ist es der Hagelschlag des Rarischschen Reims, der ihn weitertreibt? »Die Nase am Boden, trotten / wettergebeutelt die Schotten«, erfährt man in dem Kapitel »Der Mensch und sein Wetter«, in dem die Auswirkungen des unwirtlichen Klimas auf verschiedene Völkerstämme dargelegt werden. Dann geht es in dem Kapitel »Gesundheit« um allgemeine Wetterbeschwerden wie: »Muffensausen / in Zuffenbausen«, etc. ... Und in dem Kapitel »Petrus und seine finsteren Gesellen« werden die Wettermacher vom Dienst beim Namen genannt. »Das Wetter für die Gobi / macht Grobi«.

Das letzte Kapitel »Nej, Tak« – zu deutsch: Nein, danke – beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Atomkraft auf das Wetter – »Kleine Vorbeben / beleben die Gegend um Gorleben«, heißt es da unter anderem. Aber keine Angst, auch das wissen die kundigen Wetterforscher: »Kein noch so strahlender Tschernobyler Regen / kann uns das Sicherheitsgefühl zersägen!!!«

Und so kann sich der geneigte Leser beruhigt auf das hochinformative Nachwort des Herausgebers stürzen, das ihm einige weitere wichtige Zusammenhänge vor Augen führt. – Dazu gibt es sogar ein Register.

Alles in allem also – ein Buch, das man Buster Keaton hätte in die Hand drücken sollen. Und nicht nur ihm!

Ralf Thenior

die horen, Bd. 149, 1988

     
 

Ralf Thenior bei fulgura frango