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Matthias Koeppel, Klaus M. Rarisch & al.
Um die Wurst
Sonette zur Lage

Meiendorfer Druck Nr. 56
Januar 2006, 350 Exemplare
96 Seiten Oktav, fester Einband, 20 Euro



Frank Wittmer

Im Worte-Wettstreit geht es um die Wurst
Der „fulgura frango“-Verlag in Hamburg ist spezialisiert auf schön gedruckte Lyrik-Experimente

Von Frank Wittmer

Spätestens jetzt muss es jedem klar sein – auch wenn’s mancher vielleicht nicht wahrhaben will: Es geht um die Wurst! In jeglicher Hinsicht und nun haben wir’s auch schriftlich und können’s nachlesen, gar ergötzlich.
Robert Wohllebens Spezialitäten- (vielmehr: Delikatessen-)Verlag aus dem Hamburger Stadtteil Meiendorf, in Eingeweihten-Kreisen bekannt für kleinformatige Kleinodien der Lyrik, für poetische Preziosen zwischen exquisiter Form und entlegen Experimentellem, tritt einmal mehr an mit einem Tenzonenbändchen: „Um die Wurst“ von Matthias Koeppel und Klaus M. Rarisch, mit knapp 100 Seiten eine der umfangreichsten Veröffentlichungen unter dem „fulgura frango“-Label.
So benennt Wohlleben kokett seinen „Zentralverlag für Sonettwesen und andere Excentricitaeten“; dort erscheinen die durchnumerierten „Meiendorfer Drucke“ (MD) meist als unaufgeschnittene Oktavbögen in Klammerheftung: So wie seine „Hausautoren“ – vor allem Rarisch, die Berliner Szene-Institution HEL und Hesse-Preisträger Ernst-Jürgen Dreyer – formstrenge Tradition und zeitkritisches Sprachspiel, verbinden die schlicht-edlen Bändchen verlegerisches Understament und bibliophilen Reiz.
Neben der Lautkomposition „Suite 25 b“ des Südpfälzer Experimentallyrikers Werner Laubscher (MD 27), Dreyers frappierendem Palindrom-Epos „SCHielfleiSCH“ (MD 33) oder Rarischs kaustischer Polemik „Günter Grass als Plagiator?“ (MD 30) belegen die meisten MD seit 1967 immer wieder Stärke, Tiefe und Wandelbarkeit der Gattung „Sonett“. Als Beispiel besonderer Aktualität seien die Fußball-Sonette „Ideenspiele, fußgerecht“ des vormaligen Mainzer Stadtschreibers Ludwig Harig empfohlen (MD 54).
Die (ursprünglich altprovençalische) Tenzone ist ein witziges Streitgedicht in dialogischem Wechsel; „Um die Wurst“ bedient sich des Sonetts, ohne jedoch dem strengen Gebot der Reimgleichheit zu folgen. Koeppel – nicht nur als Maler der „Neuen Prächtigkeit“ bekannt, sondern auch für Schöpfung und Pflege des „Starckdeutsch“ – eröffnet mit seiner Alternative zum „schönsten deutschen Wort 2004“ (Habseligkeiten): WURST. Er begründet im Sonett, Rarisch erwidert, dann im Wechsel, bis die Tenzone 64 Sonette umfasst. Dabei streift dieses „literarische Überbrettl“ Zeitgeschehen wie Dosenpfand und Hartz IV, Papstwahl und Moshammer, Merkel und „Du bist Deutschland“-Kampagne.

»Verlagsporträt« in: Allgemeine Zeitung (Mainz), 4. April 2006