Meiendorfer Beitrag 7: Das Gehör

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Meiendorfer Beitrag 7


Das Gehör

An Hegewisch, den Blinden.

Es tagt nicht! Kein Laut schallt! Wer entschlöß sich schnell hier? wen erschreckte nicht
   Das Graunvolle der Wahl?
Doch sie sei dein Schicksal; du erkörst doch Blindheit? Des Gehörs Verlust
   Vereinsamt, und du lebst
Mit den Menschen nicht mehr. Wenn du also kein Gott bist: so wählst du recht,
   Willst blind sein, und entfliehst Den nur Sterblichen nicht. „Sehr ernst ist der Gedanke von dieser Wahl,
   Versenkt tief mich in Schmerz,
In zu trübes Gefühl! Doch was Wahl? Es umringt schon den Ahndenden,
   Schon wehdroht mir die Nacht!“
Das Licht schwand: doch entbehrst du das freundliche Wort des Geliebten nicht;
   Nicht Stromfall, noch den Schlag
Der geflüchteten Wolke, die donnernd sich wälzt, daß die Hütte bebt,
   (Ein Graun Zagenden nur)
Und lautwirbelnd Sturmwind an Felsklüften herbrausen! nicht Waldgeräusch
   Von Mailuft, die dich labt;
Noch das frohe Gesing am verhohlnen Nestbau; nicht den süßen Reiz
   Der Tonkunst; und gewann
Die Dichtkunst dein Herz auch, nicht den Reihen, in welchem sie schwebt, nachdem
   Der Inhalt ihr gebeut;
Entbehrst nicht die Bezaubrung, wenn beide, darreichend die Schwesterhand,
   Durch Eintracht sich erhöhn,
Und gelehriges Ohres, entzückt, die Drommet’ und das Horn vernimt
   Der Nachhall im Gebirg.
Wer taub dann ihn gewahrt in der Freude, den Blinden, der trübt den Blick
   Vor Mitleid mit sich selbst.
Und du möchtest das Wundergebäude, worin die geregte Luft
   Zum Laut wird, den du liebst,
Wie gesunken dir denken, zerstöret, daß nun sich ihr Wallen dir
   Umsonst naht, und wie stumm
Dir zerfließt; ah, zerstört Gehörgang, die erklingende Grotte, drin
   Den Ambos, und von ihr
Zu dem Munde den Weg, und an ihrem Gewölbe die Fäserchen,
   Sie Aufhalt des Getöns,
Daß es sanft sich verliere; die feineren Saiten, sie sind gestimmt
   Dem Anwehn, das sie rührt;
(Wie Windemen nicht allen gestimt) den Vorsaal, wo es netzend rinnt,
   Emporwallt, wie der Quell,
Die gebogenen Röhren, der Schnecke Gewinde, die Scheidewand,
   Das ganze Labyrinth?

Nach: Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden. Leipzig: Kurt Wolff 1913. Bd. 2., S. 103-105.


Meiendorfer Beitrag zum Vergnügen des Verstandes + Witzes Nummer 7
erschienen am 7. 3. 1967
Text aus Friedrich Gottlieb Klopstocks Ode »Das Gehör. An Hegewisch, den Blinden«
Siebdruck, gestaltet von Jens Cords

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Jens Cords druckte
seine Radierung »Das Gehör«
als Supplement zum Meiendorfer Beitrag Nummer 7

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