Den Sonettisten
Wenn am Sonette noch so nette Zeitgenossen
wie Rarisch, Rühmkorf, Kraft und Klünner sitzen,
fragt, wer Gedichte liebt: Wem soll das nützen?
Ist das Kapitel nicht längst abgeschlossen?
Wie wahr! Doch narren uns noch stets die alten Possen:
der Dichter Stolz, die Eitelkeit der Schützen.
Mit vierzehn Reimen, vierzehn Geistesblitzen,
wird Weltanschauung in die Welt geschossen.
Die Welt? Wohl kaum! Kopflastig trifft der Pfeil
nichts Lebendes, schafft weder Lust noch Plagen.
Kein Orpheus nimmt an diesem Spiel mehr teil.
Sonette schreiben, wißt ihr, was das heißt?
Im Dorf der Schützenkönig kanns euch sagen:
Ein Scheibenschießen! Mir gehts auf den Geist.
Lothar Klünner 12. März 1995
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Dem Sonettisten
Du bist Genosse einer netten Zeit,
die scheinbar nur auf tote Scheiben schießt
und den zum Schützenkönig sich erkiest,
der Blech betrommelt und der Glas zerschreit.
Statt Mut preist unsre Zeit Gemütlichkeit.
Sie zielt aufs Leben. Wenn sie Blut vergießt,
dann soll es Blut sein, das gemütlich fließt:
Poetenblut, am liebsten unverbleit.
Es spielt das Spielchen, bis er ausgeblutet,
Old Orpheus oder wie er heute heißt.
Gleichviel, ob er noch singt, ob er nur tutet
die Witze, die er reißt, besitzen Geist.
Gleichviel, mit wem die Welt sich grad beschäftigt
es gilt die Kraft nur, die sich selbst bekräftigt.
Klaus M. Rarisch 22. März 1995
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