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Robert Wohlleben liest Sonette im Stadtmuseum

Mehr Publikumsnähe darf sein

Wohlleben in Burgdorf
Photo: Heinze

Wer es einmal in der Schule gelernt hat, der erkennt es auf den ersten Blick, das Sonett. Zwei Vierzeiler, danach zwei Dreizeiler signalisieren schon beim Hingucken: Hier kommt ein Sonett. Feste Regeln für das Versmaß und den Reim machen das Sonett perfekt, vom Inhalt einmal abgesehen. Auf Einladung des Kulturvereins Scena las am Sonntag Robert Wohlleben (66) eigene und fremde Texte dieser Kunstform im Stadtmuseum. Gefühle und Reflexionen waren es, die Wohlleben da in die von ihm streng eingehaltene Form des Sonetts gegossen hatte. Um Angst ging es, um die Melancholie, die im Jahre 1943 bei Wohllebens Evakuierung über dem Uelzener Bahnhof lag oder um das Altwerden. Kundige konnten aus dem Vortrag Wohllebens Dichterheilige Peter Rühmkorf und Werner Riegel heraushören, gelegentlich einen Anklang an Rilke. Wer das erkannte, zählte aber schon zu den profilierteren Literaturkennern.

Für die anderen ähnelte das Zuhören einer Zugfahrt, bei der man an jeder zweiten Milchkanne herausgeworfen wird und wieder neu einsteigen muss. Kaum einen Vier- oder Dreizeiler gab es, der für den Hörer Vers für Vers verständlich gewesen wäre. Daran änderten leider auch Wohllebens Erklärungen nur wenig. Letztlich war es ein Abend für Spezialisten einer literarischen Kunstform, von denen es nur wenige geben dürfte.

Stefan Heinze

Anzeiger für Burgdorf und Lehrte
18. November 2003