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Ein ebenso bedeutender wie unbekannter Sonettist des 20. Jahrhunderts:
URIEL BIRNBAUM
Von Klaus M. Rarisch

Kleine Proben aus seiner umfangreichen lyrischen Produktion bietet das Heft

    Uriel Birnbaum (1894–1956), Ein Wanderer im Weltenraum. Ausgewählte Gedichte. Mit einem Nachwort herausgegeben von Georg Schirmers. ( Vergessene Autoren der Moderne XLVII. Herausgegeben von Marcel Beyer und Karl Riha. Universität-Gesamthochschule Siegen), Siegen 1990, 51 Seiten, 3.— DM.

Die Broschüre enthält u.a. 36 Sonette, davon 13 rein gereimte, überwiegend in der spezifischen Form des «Quatrinensonetts» (Schema: abab/bcbc/cdcd/dd). Für meine Freunde hier zwei Beispiele (S. 13, 22).

MORGEN IN DER KASERNE

Erwachend hob ich meine Augenlider
Und sah verschwommen durch das Wimpernhaar
Das kahle Zimmer und entsann mich wieder,
Daß ich Rekrut in der Kaserne war.

Durchs offene Fenster sah ich leuchtend klar
Den Himmel blau auf grünen Wipfeln liegen
Und sah die Wipfel sich so wunderbar –
So weich verschwommen, wie im Traume, wiegen.

Auch sah ich Vögel durch den Himmel fliegen.
... Und ein Gefühl betäubter Süße lief
Durch meine Seele – küßte sie verschwiegen
Mit sanften Lippen – und verebbte tief ...

... Und ich begriff, halb wach, halb, daß ich schlief:
Daß dieses Gott war – und daß Gott mich rief!

AM HILFSPLATZ

Der Ärzte Keuchen hallt durch die Kaverne.
Ich liege matt und hilflos auf dem Schragen.
Die Kerzen glänzen wie blutrote Sterne.
Die Schmerzen sind wie Tiere, welche nagen.

Ich bin schon viel zu müde, um zu klagen!
Ich schaue stumpfen Blickes auf die Hände
Der Ärzte und getrau mich nichts zu fragen.
Tief in mir schluchze ich: Es geht zu Ende!

Mir graut vor meinen Füßen! Doch ich wende
Den Blick nicht ab ...Und langsam, wie nach Jahren,
Verbergen mir barmherzige Verbände
Die Greuel, die einst meine Füße waren.

Man trägt mich fort mit hundert andern Bahren,
Den kalten Tod in meinen nassen Haaren.

Sonett-Sprechsaal

Sonett-Sprechsaal
Der Sprechsaal

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