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Lacrimosa

330.html
Abgeschickt von Gabriella Wollenhaupt am 27 April, 2003 um 13:43:14

    Dich muss ich jagen!

    Ich reite gerne stundenlang
    So selbstvergessen an mein Ziel.
    Ich bin so wild und merk nicht viel
    Von Engelszungen und Gesang.

    Doch meine Schreie klingen frei
    Sind ohne Scham und Angstgefühl
    Wenn ich in deinen Augen wühl
    Geht manches Mal ein Blick entzwei.

    Einen wie dich, den knips ich nicht
    Von jedem früchtelahmen Strauch!
    Dich muss ich jagen! Und zerbricht

    Die Rüstung dann beim Liebesbrauch
    Leck ich dir Küsse aufs Gesicht,
    Und blas dir Lindrung auf den Bauch!

331.html
Eros-Sonettenkranz
Abgeschickt von Gabriella Wollenhaupt am 27 April, 2003 um 13:48:42

    Bettine von Arnim – Eros

    Im Bett der Rose lag er eingeschlossen,
    Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten,
    Die taugebrochnen Strahlen schmeichelnd gleiten
    Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen.

    Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen
    Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten
    Und durch der Biene Summen, die zuzeiten
    Vorüberstreift an zitternden Geschossen.

    Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen
    Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben,
    Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen.

    Es ist mein Auge vor ihm zugesunken,
    Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben,
    In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.


    Eros (1)
    Im Bett der Rose lag er eingeschlossen,
    Fast nicht zu sehen unter soviel Lidern,
    Im Widerspruch nicht zu zergliedern.
    Der Schutz der Nacht ist fort geflossen.

    Wie kommt ein Gott in meine Kissen?
    Hat ihn die Lust etwa dorthin gebracht?
    Und ich hab’ einfach da so mitgemacht?
    Ich frag ihn jetzt, ich muss es wissen.

    Bellezzo, sag ich, leih mir mal dein Ohr:
    Kann denn ein Gott wie du mir Lust bereiten?
    Hab ich geöffnet dir mein Himmelstor?

    Ich will ja kein Gerücht verbreiten,
    Sagt Eros, lacht, und zeigt die Brust hervor
    Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten.


    Eros (2)
    Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten
    Tritt Aphrodite an das Bett der Rosen:
    Verdammter Lüstling, wo sind deine Hosen?
    Lässt du dich nur von Wollust leiten?

    Bellezzo lächelt seine Mutter eitel an,
    Die Kohlenaugen schleudern Funkenglut:
    Ich kann halt lieben nur – und das mit Mut
    Im Götterreich ist lange Weile wieder dran.

    Die Göttin mustert mich. Will mich verstecken.
    Lässt ihren Blick streng über meinen Körper reiten.
    Versuche hektisch, mich mit Rosen zu bedecken.

    Gott Helios spannt an – will mich dazu verleiten
    Eros zu küssen – damit in seine exquisiten Ecken
    Die taugebroch’nen Strahlen schmeichelnd gleiten.


    Eros (3)
    Die taugebroch’nen Strahlen schmeichelnd gleiten
    In jede feine Falte seiner bronzefarb’nen Haut.
    Auf der hat sich jetzt süße Hitze angestaut
    Die Göttin ärgert sich und wird sich vorbereiten,

    Den schönen Sohn mir aus dem Bett zu scheuchen.
    Nur weil sie mir kein geiles Spielzeug gönnen will,
    Mir Erdenfrau! Ich werde wütend und bin nicht mehr still
    Lass manches Schimpfwort meinem Mund entfleuchen.

    Der Sonnengott lässt lachend seine Pfeile prallen.
    Jetzt peinigt mich die Göttin auch noch mit Geschossen!
    Das Sahneteil im Lotterbett beginnt debil zu lallen.

    Du bist ganz ruhig!, sag ich ihm ziemlich unverdrossen.
    Tret hin zum Rosenbett und lass mich einfach fallen
    Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen.

    Eros (4)
    Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen
    Lieg ich jetzt steif an seiner Gottesbrust.
    Er ist zwar schön, doch hab ich keine Lust
    Auf ihn. Hab oft genug so frisches Fleisch genossen,

    Das noch im Laden konnte meine Gunst sich rauben.
    Doch immer schwerer wurde in der Einkaufstüte
    Dass später nicht einmal der Wunsch mehr in mir glühte
    Ihm lustvoll die Verpackungen vom Leib zu klauben.

    Ich heb das Haupt und blicke auf die eitle Aphrodite
    Und frage mich, was in der Nacht, die ja verflossen
    Wirklich geschah. Er wär kein Mann, wenn er’s verriete.

    Ich weiß nur noch, dass ich naiv und unverdrossen
    Ihm Obdach gab, weil seine Gelder für die Miete,
    Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen.


    Eros (5)
    Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen
    Die müden Glieder, seine und auch meine.
    Wir schliefen nur, und Liebe gab es keine
    Da uns’re Seelen waren weggeflossen.

    Doch neben einem echten Gott zu liegen
    Besonders, wenn er schweigend bleibt
    Und sich am Morgen nett die Augen reibt
    Ist einfach schön und schwer zu kriegen.

    »Hör zu, du schwarzgelockter Liebesgott,
    Ich werd’ dich jetzt hinausgeleiten
    In diese Erdenwelt voll Hohn und Spott,

    Dort, wo ein Sturm dich kann begleiten.
    Du liegst noch flach? Dann heb jetzt flott
    Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten.«


    Eros (6)
    Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten,
    Sie liegen matt in meinen weichen Kissen.
    Die Rosenblätter knicken hin in klarem Wissen,
    Dass ihnen Eros wird den Tod bereiten.

    Ich will den Gott jetzt aus der Hütte kriegen,
    Trotz seiner präsentablen Männlichkeit.
    Ich rechne nicht mehr mit viel Widerstreit.
    Doch er bleibt leider schwer im Bette liegen.

    Ich muss jetzt doch mit seiner Mutter reden,
    Sie muss den trägen Sohn drauf vorbereiten:
    Denn mit ’nem Liebesgott kann ich nicht leben.

    Hab keine Lust, nur Süße zu verbreiten!
    Die Göttin stutzt, will ihre Stimme grell erheben:
    »Und durch der Biene Summen, die zuzeiten..?«


    Eros (7)
    »Und durch der Biene Summen, die zuzeiten …?«
    Doch Aphrodite fehlen immer noch die Worte,
    Bei denen auch manch Dichter sich am Orte
    vergeblich mühte. Es sei denn, er ließ’ sich verleiten

    Die fehlende Idee durch Pfusch perfekt zu machen,
    Was nicht besonders göttlich scheint.
    Die strengen Musen nämlich sind vereint
    Um über Ebenmaß und Form zu wachen.

    Die Biene tändelt trunken durch den Flieder.
    Sie ist – warum? – zum Stich entschlossen
    Und schändet Liebesgottes schöne Glieder.

    Der Gottesmutter Miene ist total verdrossen:
    Sie killt den dreisten Flieger, bevor er wieder
    Vorüberstreift an zitternden Geschossen.


    Eros (8)
    Vorüberstreift an zitternden Geschossen
    Mit Eleganz und harschem Peitschenknall:
    Es ist Gott Ares auf der Fahrt durchs Weltenall
    Er ist der Vater und er hat beschlossen

    Den Widerspruch in seinem Sohn zu kitten,
    Das Honigblut mit strengem Mut zu mischen,
    Und die Kritiken vom Olymp so zu verwischen,
    Dass Götter nicht mehr um den Eros stritten,

    Der immer wieder heiter die Gesetze bricht.
    Eros steht stramm, will Ares nicht verprellen,
    Der greift nach meiner Hand, und ich merk nicht,

    Dass Kriegsgotts Miene beginnt aufzuhellen,
    Und seine Lippen kosen zärtlich mein Gesicht
    Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen.


    Eros (9)
    Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen
    schöne Musik aus fernen, lyrischen Gefilden
    Die Kriegerrüstung bricht entzwei – es bilden
    Sich nun Wolkenschäfchen über klaren Quellen.

    Ich seh in Ares’ stahlverzinkte, blaue Augen,
    Die herrisch, grausam und verdorben denken
    Und fange an, mich tief in ihnen zu versenken
    Und wie ein Wurm in seine Seele mich zu saugen.

    Er lässt es zu. Und Eros fängt laut an zu lachen
    Und schmäht den Vater. Ich fang an zu loben
    Des Kriegsgotts Fähigkeit sich sanft zu machen.

    Mein Körper ist mit seinem jetzt verwoben
    Der Himmel tut sich auf – ich hör erwachen
    Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben.


    Eros (10)
    Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben
    Mein Inneres bricht auf durch warmen Regen
    Entfaltet sich und kann sich nun bewegen
    Und wird schon in die Ewigkeit verschoben,

    Im Takt der überschweren Wolkengüsse.
    Der kleine Eros schaut den Vater an
    Begreift, dass dieser doch mehr kann
    Als nur der Welten übervoller Flüsse

    Durch Ruderschlag den Takt zu rauben.
    Er labt sich an den wilden schönen Stellen
    Wie eine Lerche beim Sichhöherschrauben.

    Ich lasse meine Zunge heftig tiefer schnellen
    Und heb den Blick und kann es noch nicht glauben:
    Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen!


    Eros (11)
    Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen,
    Den safrangelben Berg der Berge in der Sonne
    Als ob sich Gold mit Heiterkeit versponne,
    Und sich die Wollust in den schönen Quellen

    Scharf widerspiegle, um mein Auge zu erquicken.
    Jetzt steht der Eros bei der Mutter – nichts am Leibe
    Und blickt empört, was ich mit seinem Vater treibe
    Es stört mich nicht, denn ich will Ares doch nur ERFREUEN.

    Er nimmt die Peitsche, ich benutz die Sporen.
    Das Ziel vom Berg hat uns jetzt zugewunken!
    Wir sind zu schnell und haben Takt verloren,

    Der Wind in meinem Haar schlägt Funken
    Er greift die Zügel, stoppt uns unverfroren:
    Es ist mein Auge vor ihm zugesunken.


    Eros (12)
    Es ist mein Auge vor ihm zugesunken.
    Und die Gedanken sind wie Spinneweben
    So klebrig-zart und voller Zappelleben,
    Das einstmals munter saß in den Spelunken,

    In denen Menschenkinder ihre Zeit verschwenden.
    Die einen saufen, andere streiten, spielen Karten
    Noch andere wollen Liebe, doch sie alle warten
    Sich jenem seltnen Augenblicke zuzuwenden,

    An dem ein starker Gott sie in die Höhe hebt.
    Auch ich fühl mich ins Blaue jetzt geschoben
    Von Ares, der mit mir in unbegrenzte Reiche schwebt.

    Ich lass es zu. Will Spielball sein, der hochgehoben
    Wird und dennoch weiß, dass jener weiterstrebt
    Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben.


    Eros (13)
    Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben
    Und seine Schwermut mich zu trinken zwang.
    So bittres Zeug! Doch wild und stark. Es drang
    In meinen Mund und ich bin zielvoll losgestoben

    Nicht zum Olymp. Ich fand die lyrischen Gefilde,
    Die mehr Erfüllung bringen als die satten, übervollen
    Götterwiesen, auf denen dumme Menschen tollen.
    Ich küsse Ares zart und setz ihn dann ins Bilde,

    Dass ich muss fort. Will nicht mehr länger bleiben
    Bei diesen dummen Götterspielen. Und tief versunken
    Entdecke ich dein Zeichen hinter blinden Scheiben.

    Die Zeit ist reif! Noch schnell den Göttern zugewunken.
    Ich nehm die Rosen und beginn das Glas zu reiben:
    In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.


    Eros (14)
    In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.
    Er ist kein Gott voll Schönheit und Esprit
    Die Welt, in der er lebt, ist keine Phantasie
    Mit grellen Wesen, Geistern und auch Unken

    Und diesen weißen Pferden mit dem Solohorn.
    Ja, sterblich zwar, doch warm und weich
    Nicht göttlich sein, sondern im Leben reich,
    Nur für die Liebe, nicht die Macht geborn.

    Ich ziehe seinen Kopf an meinen Busen:
    Die Augen sind in tiefer Ruh geschlossen
    Ich küsse seine Lider und beschwör die Musen

    Dass sie ihn wecken, meinen Bettgenossen.
    Denn ich will endlich mit ihm schmusen:
    Im Bett der Rose lag er eingeschlossen.


    Meistersonett: Bettine von Arnim
    Eros
    Im Bett der Rose lag er eingeschlossen,
    Im Wechselschimmer ihrer zarten Seiten,
    Die taugebrochnen Strahlen schmeichelnd gleiten
    Hinein zu ihm, von Geisterhauch umflossen.

    Mich dünkt, in Schlummer waren hingegossen
    Die reinen Glieder, durch des Dufts Verbreiten
    Und durch der Biene Summen, die zuzeiten
    Vorüberstreift an zitternden Geschossen.

    Doch da beginnt mit einemmal zu schwellen
    Der Blume Kelch! Ins Freie nun gehoben,
    Erkenn ich ihn im Tagesglanz, dem hellen.

    Es ist mein Auge vor ihm zugesunken,
    Der mich so seltsam mit dem Blick umwoben,
    In seinem Lichte lieg ich traume-trunken.

332.html
Abgeschickt von Gabriella Wollenhaupt am 27 April, 2003 um 13:50:54

    picknick im bett

    die wilden spiele haben uns geschafft
    jetzt sind die glieder müd geliebt
    du schaust mich an und möchtest saft
    von trauben, möglichst durchgesiebt.

    du sagst, wie kirschen seien meine lippen:
    ganz frisch und immer wieder neu im rot
    und in der nähe meiner zarten rippen
    gäb’s äpfel, wie sie gott im paradies verbot.

    du sagst, dass ich den wilden zauber hätte
    von nelkenbäumen, die in südseeparadiesen
    gleich neben orchideen um die sonne buhlen.

    mein süßer eros! liegst so mattgeliebt im rosenbette!
    ich lass den roten wein in deinen nabel fließen
    und trink ihn aus der schönsten aller kuhlen.

337.html
Abgeschickt von Gabriella Wollenhaupt am 30 April, 2003 um 09:33:39

    18. Sonett von Shakespeare

    Ich gleiche keinem Sommertag
    Bin nicht so mild wie Honigsaum
    Und meine Blüten knospen kaum
    Weil warmen Wind ich nicht ertrag.

    Mein Sommer ist ein Ränkespiel
    Und meine Schönheit trifft ins Hirn
    Mein Mal des Stolzes auf der Stirn
    Ist jedem dumpfen Mann zuviel.

    Die harten Seelen klopf ich weich
    Mit lustvolldüstren Spinnenweben
    Ich bin nicht zart und dennoch reich

    An zärtlich-tiefen Liebesleben.
    Ich atme mit dem Winde gleich:
    Und werde mich in ihm erheben!

 

Rechte bei Gabriella Wollenhaupt