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Joachim Lorenz Evers (1758–1807)
Goldschmied, Schriftsteller, Verleger, Theaterdirektor
Ein vergessener Weltbürger und Freimaurer

Von Hans-Werner Engels

Am 12. September 2001
auf Einladung der Johannis-Loge «Carl zum Felsen», Hamburg,
gehaltener Vortrag

Die Lebenszeit von Joachim Lorenz Evers fällt in jene Zeit, die als das Goldene Zeitalter Dänemarks gilt. Die dänische Neutralitätspolitik bescherte dem Land einen Wirtschaftsboom. Reformen im Sinne der Aufklärung, etwa die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Sklavenbefreiung, fast völlige Pressefreiheit ließen viele Zeitgenossen Dänemark als einen Musterstaat sehen. Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, als die Französische Revolution viele französische, aber auch deutsche Emigranten in den Norden flüchten ließ, erlebte die Altona eine bemerkenswerte Entfaltung und Blüte. Einige Gebäude, die der anerkannte Christian Frederik Hansen damals für die Palmaille entwarf, erinnern noch heute an jene glückliche Epoche. Allein, die Konjunktur begünstigte mehr die Wohlhabenden. Hausbesitzer profitierten von den durch die Emigranten gestiegenen Mieten, während die arbeitende Bevölkerung wegen der Teuerung kaum genug Geld für die notwendigsten Lebensbedürfnisse hatte. [1]


Biographie

Joachim Lorenz Evers: Chorgesang für die festliche Tafel der Loge Ferdinand zum Felsen

Obgleich Joachim Lorenz Evers um 1800 zu den bekanntesten Persönlichkeiten Altonas zählte und wegen seiner Tätigkeiten weit über die Stadt hinaus bekannt war, ist über seine Lebensumstände wenig bekannt. Er wurde am 20. September 1758 in Altona als Sohn von Joachim Evers und Catharina Elisabeth, geb. Nicolaßen geboren und entstamme einem lutherischen Elternhaus. Evers erlernte das Handwerk des Goldschmieds. Er bekennt, er sei in seiner Jugend zu einem Beruf bestimmt worden, der ihm «keinen großen Würkungskreis gewährte.» [2] Am 3. 5. 1790 trat er in den ersten Grad der Loge «Ferdinand zum Felsen» in Hamburg ein. Als Redner wirkte er beim Tode des Herzogs von Braunschweig.

Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts war er schriftstellerisch tätig. Evers war 1796 Mitbegründer der Loge «Carl zum Felsen» in Altona und wurde zum Deputierten Meister gewählt. Bis zu seinem Tode war er aktiver Logenbruder. [3] 1799 gehörte er zusammen mit seinen Logenbrüdern Friedrich Bechtold, Johann Heinrich Kaven und dem damals berühmten Verleger Gottfried Vollmer zu den Initiatoren des «Museums» in Altona [4] Das «Museum» war eine Lesegesellschaft in der sich Honoratioren der Stadt zusammenfanden. Vom Juni 1800 bis Mai 1802 leitete er als Direktor das Altonaer National-Theaters. Durch sein Engagement für dieses Bühne verlor er sein Vermögen. 1804 erhielt er ein Privileg als Makler. Auch in den letzten Jahren seines Lebens veröffentlichte er Schriften. Evers starb am 2. November 1807.


Historiker der Französischen Revolution

Joachim Lorenz Evers hat sich in mehreren Publikationen mit den revolutionären Ereignissen im Nachbarland beschäftigt. Er ist einer von jenen kosmopolitischen bürgerlichen Aufklärern, welche die Ziele und Grundsätze der Französischen Revolution begeistert begrüßten und sie gegen die Angriffe konservativer Zeitgenossen verteidigten. Aufgrund seiner Schriften lässt sich seine Einschätzung der Staatumwälzung bis Ende des Jahres 1800 recht genau belegen.

Joachim Lorenz Evers: Geschichte der französischen Staatsrevolution

In einer dreibändigen «Geschichte der französischen Staatsrevolution» [5] die zwischen 1793 und 1795 erschien, schildert er die Ereignisse in Frankreich bis zur Hinrichtung Ludwig XVI. Ergänzt wird diese Veröffentlichung durch die 1794 erschiene «Schilderung des Lebens und Charakters der Königin Marie Antoinette von Frankreich.» [6] Die Publikationen sind mit die ersten Versuche, eine geschlossene Analyse der Ereignisse im Nachbarland niederzuschreiben. Zwar lässt sie sich etwa mit der erfolgreichen und umfangreicheren Buch «Historische Nachrichten und politische Betrachtungen über die französische Revolution» von Christoph Girtanner nicht vergleichen. Dies auch darum, weil Evers’ Ausführungen, verglichen mit jenen des konservativen Gelehrten, weit radikaler ausfallen. Zudem wendet sich der Goldschmied nicht an ein gelehrtes Publikum, sondern versucht durch eine knappe und verständliche Darstellung, einen größeren Leserkreis anzusprechen.

Um seine Haltung zur gesellschaftlichen Entwicklung in Frankreich differenziert zu charakterisieren, ist es notwendig, seine Beurteilung zu einzelnen Aspekten zu untersuchen.

Ausführlich hat sich Evers in seinen beiden Biographien über die Ständegesellschaft in Frankreich geäußert. Dabei verurteilt er scharf den Klerus und den Adel. Besonders die Geistlichkeit ist das Ziel seiner Angriffe. Die Macht des Papstes und der katholischen Priesterschaft in Frankreich sieht der Protestant als Hemmnis für den Fortschritt der Menschheit. In den ausgewanderten Priestern erblickt er später die gefährlichsten Gegenrevolutionäre.

Verhasst ist ihm auch der Adel. Er geißelt seine Privilegien und kritisiert das Bestreben der ausgewanderten adeligen Emigranten die alte Ordnung in Frankreich wieder herzustellen :

    Die ganze französische Ritterschaft versammelte sich unter den Fahnen der königlichen Brüder, um den Bürgerstand wieder unter die Gewalt des Adelstandes zu zwingen, und die höhere Geistlichkeit rief ihre Hülfe zum Beistand der unterdrückten Religion auf. [7]

Aufschlussreich ist, dass er auch auf die Bedeutung der Freimaurerei bei der Revolution eingeht. Für ihre Bedeutung in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich stellt er fest:

    Sie verbrüderte die Menschheit, näherte die Stände einander, predigte Duldung und Menschenliebe, schloß Religion und Nationalinteresse aus dem großen Bunde aller Völker, und wollte durch Menschveredelung das Glück der Erde bewürken. [8]

Andererseits rügt er aber, dass sich die Maurerei von den ursprünglichen Zielen entfernt und sich für Schwärmerei und Radikalismus geöffnet habe. Er kritisiert somit die Rosenkreuzer und die Illuminaten.

Ungewöhnlich ist seine Beurteilung der Politik von Robespierre und Marat im Herbst des Jahres 1792. Während andere Schriftsteller und Publizisten jener Zeit, aber auch spätere Historiker nur über die Gräuelszenen klagten, stellt er fest, indem er die Gefahr durch die vorrückenden Alliierten Truppen hervorhebt, es sei «wohl keine Streitsache mehr, daß die Franzosen ihre Freiheit und Unabhängigkeit nie behauptet hätten, wenn sie bloß gelinde Maasregeln und menschenfreundliche Nachsicht gegen ihre Feinde gebraucht hätten.» [9] Wiederholt hebt er diesen Zusammenhang hervor und sieht in den Machenschaften der gegenrevolutionären Emigranten die eigentliche Schuld der Massaker in Paris:

    Die Wachsamkeit der Jakobiner vereitelt alle Projekte ihrer Gegner. Sie biethen alle Kräfte der Nation, alle geheimen Künste der Politik, die größte Strenge der Justiz, und die Wuth des Pöbels zu dem fürchterlichen Kampfe auf. Die verdächtigsten Royalisten und Aristokraten werden in der Hauptstadt ermordet; die gefangenen Emigranten werden, ohne Gnade und Rücksicht zum Tode verurtheilt; die Sturmglocken ertönen durch das ganze Reich, um alle Bürger zu den Waffen zu rufen; die Armeen werden schleunig verstärkt, und biethen ihren Gegnern die Spitze; die Republik wird erkläret, der Thron zertrümmert und die Gefahr von der Hauptstadt abgewandt. Die fremden Heere ziehen sich nach den Gränzen des Reichs zurück, und die königliche Familie ist der Willkühr ihrer Feinde überlassen. [10]


Politischer Publizist und Beobachter des Zeitgeschehens

Fortgeführt wurde seine Beschäftigung mit der Entwicklung in Frankreich mit der Zeitschrift «Journal der neuesten Weltbegebenheiten» (1795–1800) [11]. Das Periodikum war eines von vielen politischen Zeitschriften, die damals in Altona aus dem Boden schossen. Verlegt wurde sie vorerst durch seinen Logenbruder Johann Heinrich Kaven (1761–1800), dem ersten Meister vom Stuhl der Johannisloge «Carl zum Felsen». Obgleich sich das Journal auch mit Ereignissen in England, Russland, Preußen und Österreich auseinander setzte, stand die Berichterstattung über das revolutionäre Frankreich im Mittelpunkt. Insofern setzte er seine bisherige Beschäftigung mit der europäischen Politik fort.

Sehr ausführlich informiert das «Journal» über die letzten zwei Jahre des ersten Koalitionskrieges (1792–1797). Es ergreift fast uneingeschränkt die Partei Frankreichs, während es die Politik des englischen Ministers William Pitt und Österreichs ablehnt. Begrüßt wird der Friede von Basel und minuziös berichtet das Blatt über die Batavische Republik und die anderen Tochterrepubliken. Eine derartige Parteinahme war damals in der deutschen Publizistik ungewöhnlich und auch in den deutschen Teilstaaten unmöglich, da dort eine strenge Pressezensur bestand. In einer Kritik heißt es:

    Jede Regierung, welche nicht wie ein duldendes Lamm, sich und das Glück ihrer Bürger den französischen Freyheitshelden überliefern will, welche den Bedrückungen muthvollen Widerstand entgegensetzt, verschwört sich gegen die Freyheit; nur das französische Volk ist frey, alle andre Nationen sind Sklaven, jede andre Staatsverfassung ist Tyranney; jedes von französischen Armeen überwältigte von französischen Commissären ausgesogene und gehudelte Land, hat die goldne Freyheit empfangen. [12]

Eine Reihe von Artikeln beschäftigen sich mit Hamburg. Dazu gehört die Berichterstattung über die «Philanthropische Gesellschaft», die Franzosen in Hamburg und die Verhältnisse der Juden in Hamburg.

Die Wahl dieser Thematik war dadurch begründet, dass Evers auch mit dem französischen Gesandtschaftssekretär Jean Benedict Lemaitre bekannt war. Lemaitre war der offizielle Sekretär des französischen Gesandten Karl Friedrich Reinhard, der von 1795 bis 1798 als bevollmächtigter Minister bei den deutschen Hansestädten weilte. Bis 1799 lebte Lemaitre in Altona und trat am 1. Juni 1796 in die Loge «Carl zum Felsen» ein. In mehreren Beiträgen setzt sich die Zeitschrift 1796 für die Anerkennung des französischen Gesandten Karl Friedrich Reinhard ein. Als Reinhard anlässlich seiner Vermählung mit Christine Reimarus in Neumühlen ein Gedicht verfasst, wird es zuerst im «Journal» veröffentlicht. Noch ausführlicher behandelt das Blatt die Aktivitäten der «Philanthropischen Gesellschaft», eine Vereinigung die freimaurerische Strukturen übernahm, aber stärker konkrete politische Ziele verfolgte. Gegründet wurde sie von Georg Kerner, dem Privatsekretär Reinhards, von dem es heißt er habe sich «als Schriftsteller und Privatmann durch seinen Beobachtungsgeist, durch seinen reinen Freiheitssinn und Enthusiasm für die große Sache der Menschheit unter seinen Mitbürgern» [13] hervorgetan.

Von den vielen weiteren Themen sei die Berichterstattung über die revolutionären Feste hervorgehoben. Evers versäumt es nicht, die französischen revolutionären Festtage ausführlich zu schildern. Für ihn bilden sie eine Gegenkultur gegen den katholischen Kultus. Insofern veröffentlich er viele Gedichte und Reden, die ein neues Bewusstsein schaffen sollen. Höhepunkt dafür ist seine Korrespondenz mit der Stadt Mainz, die Ende 1797 wieder zu Frankreich gehörte. Sein Korrespondent war ein Freund Hölderlins, Friedrich Joseph Emerich (1773–1802). Dieser zählt zu den aktivsten deutschen «Jakobinern» und war einer der fleißigsten Korrespondenten für Evers’ Wochenschrift. In seiner Rede zum 14. Juli 1799 in Mainz heißt es u. a.:

    In einer süßen Begeisterung athmete man dem Momente entgegen, wo eine Art von goldnem Zeitalter entstünde, wo der Krieg sich entwaffnen liesse, wo jedes Verdienst seine Stelle einnähme, wo der Weltbürgersinn hersche, wo, daß ich’s kurz sage, Europa eine große Familie wäre. Die Freyheit erfocht Triumphe, theure Mitbürger. Aber sie blieben weit unter unsrer Erwartung. Der Krieg tobte schlimmerer als je, das Verdienst trat nur zu oft vor dem Laster zurück, die Völker zerfielen in ungeheure Spaltungen, und das goldne Zeitalter lebt nur noch in den Köpfen edler Schwärmer. [14]

Trotz pessimistischer Verstimmung endet die Rede mit dem typischen Fortschrittsglauben der Aufklärung:

    Wenn dann einst unsre Enkel an unsern Gräbern stehen, werden sie sagen: Verachten dürfen wir sie nicht, weil sie weniger groß und glücklich waren als wir. Sie erschufen, wir genießen. Und dann werden sie den 14ten Julius preisen, und heimlich Thränen vergießen, weil keine Bastille mehr zu erstürmen ist. [15]


Verleger

Durch die Redaktion des «Journals der neuesten Weltbegebenheiten» wurde ihm die «Abhängigkeit des Schriftstellers von dem Buchhandel» bewusst. Er bekennt: «Dieses war die Veranlassung, das ich Volmers (!) Handlung mit dem Dr. Schmieder übernahm.» [16] Die Verlagsgesellschaft hatte zudem eine Filiale in Hamburg.

Gottfried Diederich Leberecht Vollmer (1768- 1815) hatte bereits am 24. 7. 1795 die Konzession erhalten, eine Verlagsbuchhandlung in Altona zu führen. Als Verleger der Schriften des Jakobiners Andreas Georg Friedrich Rebmann war er 1796 in Erfurt verhaftet worden und nach seiner Freilassung nach Hamburg und Altona übergesiedelt. Bereits 1798 wandte er sich nach Mainz und gründete dort eine Buchhandlung. Seitdem leiteten Evers und Schmieder die «Verlagsgesellschaft». 1804 führte sie Vollmer wieder allein. Heinrich Gottlieb Schmieder (1763–1828) gehört gleichfalls zu den deutschen Emigranten. Von 1788 bis 1792 als Theaterdichter in Mainz wirkend, begab er sich nach Aufenthalten in Mannheim und Stuttgart nach Altona und war vorübergehend Regisseur des Altonaer Nationaltheaters.

Das Verlagsprogramm wurde vor allem durch die Tatsache bestimmt, dass Dänemark Pressefreiheit gewährte; man verlegte in Altona besonders politische Schriften, die in anderen deutschen Ländern nicht erscheinen durften. Dies gilt damals auch für die meisten anderen Verlage Altonas. So veröffentlichten Evers’ Logenbruder Friedrich Bechtold und der erste Meister vom Stuhl Johann Heinrich Kaven politische Schriften. Auch der Buchhändler Johann Friederich Hammerich, ein Verlag, der später von Axel Springer übernommen wurde, zählte dazu. Besonders Publikationen, die sich mit der Französischen Revolution auseinandersetzen, waren beliebt. [17]

Eine konservative Zeitschrift konnte daher 1798 schreiben:

    Überhaupt ist Altona der Fleck in Deutschland, von woher die giftigsten Anfälle auf Religion, Fürsten und deutsche Verfassung, wie aus einem Bombenkessel unaufhörlich auf das übrige Deutschland geworfen werden. [18]

In der Verlagsgesellschaft erschienen etwa Georg Kerners Reisebeschreibung über Frankreich und ein Buch des schon erwähnen Jakobiners Friedrich Joseph Emerich. Vermutlich hat Evers sich auch dafür eingesetzt, dass Schriften von Elise Bürger, Sophie Albrecht und Johann Friedrich Schütze, die alle drei mit dem Altonaer «National-Theater» verbunden waren, gedruckt wurden.


Theaterdirektor

Nachdem Johann Friedrich Ernst Albrecht die Direktion des «Altonaer Nationaltheaters» niedergelegt hatte, lenkten seit dem 1. Juni 1800 Evers und als Regisseur Heinrich Gottlieb Schmieder das Unternehmen. [19] Evers versuchte «durch neue Mitglieder, neue Schauspiele und Opern, reichere Garderobe und Decorationen» [20] das Theater wieder zu heben. Allerdings zog sich Schmieder bald von der «Entreprise» zurück und Friedrich Wilhelm von Schütz trat für kurze an seine Stelle. Als auch Schütz, weil er befürchtete sein Geld zu verlieren, aufgab, leitete Evers das Theater allein. Musikdirektor war vorerst weiterhin Friedrich Adam Hiller. Im Juni 1802 war Evers zahlungsunfähig und gab sein Unternehmen auf. Nach ihm führte wieder Johann Friedrich Ernst Albrecht erneut die Schauspielergesellschaft.

Altonaer Stadttheater an der Palmaille (um 1840)
Altonaer Stadttheater an der Palmaille (um 1840)

Das Ensemble, dem Evers vorstand, war beachtenswert. Dies gilt besonders für das Orchester. Das Vorhandensein eines großen Orchesters ermöglichte, dass Opern aufgeführt werden konnten. Mit der Sängerin Caroline Lippert besaß Altona eine bemerkenswerte Sängerin, ein Star dieser Bühne. Beim Schauspiel konnte er weiter auf Sophie Albrecht zählen, die damals als eine der besten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum galt. Zudem konnte er Elise Bürger zurückgewinnen, die nach Konflikten mit Albrecht vorerst in Hannover ein Engagement gefunden hatte.

Unter den männlichen Darstellern ist vor allem Carl Ludwig Costenoble erwähnenswert. Unter Evers wurden die ersten von ihm geschriebenen Theaterstücke aufgeführt. Seine Tagebücher sind zudem eine wichtige Quelle auch für die Theatergeschichte Altonas. Am 20. Februar 1801 verließ er diese Bühne, um in Hamburg weiter zu arbeiten. [21] Costenoble lobt den Schauspieler Carl Adolf Beinhöfer, der in komischen Rollen erfolgreich war. Seit Juli 1800 trat auch erneut der Schauspieler und Bühnendichter Friedrich Gustav Hagemann auf.

Eröffnet wurde das Theater unter der neuen Direktion am 3. Juni 1800 mit einer Rede der Schauspielerin Friederike Kroseck. [22] Bereits am 14. Juni trat Elise Bürger in einer Gastrolle als Johanna in dem Stück «Johanna von Montfoucon» wieder die Bühne in Altona. Sie sollte unter der Leitung von Evers für die meisten Schlagzeilen sorgen. [23]

Evers leitete das Theater und kümmerte sich um die Finanzen. Obgleich er nicht Regie führte, hatte er ohne Zweifel Einfluss auf den Spielplan. Dieser unterschied sich wenig von dem seines Vorgängers. Schauspiele, Lustspiele und Opern und Singspiele wechselten. Die heutigen Klassiker wurden dagegen seltener aufgeführt. Zu den Ausnahmen zählt eine Aufführung von Schillers «Dom Carlos» in der Prosafassung, die er wohl auf Anraten der Albrechts ins Programm aufgenommen hatte. Auch andere Stücke Albrechts wurden gezeigt, so eine Bearbeitung des Schauspiels «Claus Storzenbecher.» Ein Höhepunkt war die Aufführung von Haydns «Schöpfung» im Nationaltheater am Mittwoch den 27 März 1801. Die Direktion hatte es organisiert, dass über 120 Künstler – Sänger und Musiker – zum Gelingen beitrugen.

Joachim Lorenz Evers selbst schrieb mehrere Gelegenheitstücke. Am 7. Juli 1800 war zur Geburtsfeier des dänischen Kronprinzen das Stück «Das Fest an der Elbe» zu sehen. [24] Ende des Jahres, am 30. Dezember 1800 führte man erfolgreich auf : «Das achtzehnte Jahrhundert; ein allegorisches Gemälde mit Gesang, in zwei Aufzügen.» [25] Das Singspiel, zu dem Friedrich Adam Hiller die Musik komponiert hatte, erinnerte vordringlich an den dänischen König Friederik VI. und dessen Krieg gegen Schweden. Weiterhin lobt er die Friedenspolitik Dänemarks, wo «ein zufriedenes Volk die Früchte eines achtzigjährigen Friedens genießen» [26] könne. Im Rückblick auf das Jahrhundert erinnert er an die für ihn bedeutenden Herrscher, u. a. an Peter den Großen von Russland., Friedrich den Großen und den Kaiser Joseph II. Über den Österreicher schreibt er : «Er stürzte die Thronen der Hierarchie, löste die Fesseln des Mönchthums, und riß sein Volk aus den Kerkern des Aberglaubens.» [27]

Als dann 1801, wie in allen Jahren vorher, mit großem Aufwand in Altona der Geburtstag des schwachsinnigen Königs Christian VII. gefeiert wurde, schrieb der Direktor «Das Königliche Stammhaus Oldenburg oder die Wahl Christians des Ersten. Historisch romantisches Schauspiel mit Gesang.» [28] Die Musik komponierte erneut Hiller.

Trotz allen Fleißes war Evers mit seiner Leitung nicht erfolgreich. Das Theater wurde nicht besucht. Bereits am 7. Juli 1800 schrieb Costenoble in sein Tagebuch: «Die neue Direktion überläuft eine Gänsehaut, wenn sie ihrer Zukunft gedenkt, weil das Haus immer leer bleibt, sie mögen vorführen, was sie wollen.» [29] Er entschloss sich daher auch mit seinem Ensemble nach Lüneburg, Glückstadt und Bremen zu reisen. Ohne Erfolg. Sein schließlicher Bankrott führte zu einer Menge von Spottschriften und Pamphleten, die sich mit Häme über sein Scheitern äußerten.

Der Schiffbruch von Joachim Lorenz Evers bedeutete zugleich das Ende einer sechsjährigen Blütezeit des Altonaer Schauspielhauses. Es sollte über ein halbes Jahrhundert dauern bis die Bühne wieder das Niveau jener Zeit erreichte. Rückblickend schrieb die Schauspielerin, Übersetzerin und Dichterin Artemisia Henriette Marianne von Montenglaut 1828 über jene Jahre:

    Alle drei Hauptzweige der dramatischen Kunst: Tragödie, Lustspiel und Oper wurden mit liebender Weisheit gepflegt und zählten bedeutende Künstler, die zum Theil hinüber geschlummert sind, zum Theil bei großen Bühnen auf den Lorbeeren ihres Ruhmes ruhen, und deren gemeinschaftlicher Regisseur, ein damals hoch gehaltener Gelehrter, dem wir die meisten Opern-Übersetzungen aus dem Französischen und Italienischen verdanken, der Doktor Schmieder, das ganze mit ästhetischen Umsicht führte, während dem Enkel des ersten Deutschen Lieder-Componisten, Hiller, die Führung des trefflichen Orchesters anvertraut war. [30]

Joachim Lorenz Evers: William Pitts Leben und Staats-Regierung

Über die letzten Lebensjahre von Evers ist wenig bekannt. Seit 1804 führte er ein «Commissions- und Nachweisungscomtoir» das sich für «Geldnegocen, Häuserverkauf und Vermietung, Besetzung vacanter Bedientenstellen und Besorgung litterarischer Aufträge» [31] empfahl. Auch schriftstellerisch war er weiter tätig und schrieb nach dem Tod des englischen Ministers William Pitt eine kurze Biographie des Politikers. 1807 gab er die Wochenschrift «Die Stafette» heraus. Nach Evers’ Tod führte sie Friedrich Wilhelm von Schütz weiter. Das Blatt ist heute nicht mehr auffindbar. Joachim Lorenz Evers starb fast zwei Monate nach Vollendung seines 49 Lebensjahres. Ein Brief der Schauspielerin und Schriftstellerin Montenglaut von 1819 erwähnt ein Gerücht, dass er sich erhängt haben soll.

Evers war keine unbedeutende Persönlichkeit. Trotzdem wurden seine Schriften und sein Theaterenthusiasmus bislang von der Forschung kaum gewürdigt. Das mag auch daran liegen, dass seine Veröffentlichungen äußerst selten geworden sind. Ein weiterer Grund für die Missachtung seiner Tätigkeiten war sicher auch die Tatsache, dass nach dem Groß Hamburg Gesetz eine eigenständige Geschichtsforschung über Altona beendet war. Eine erste Arbeit, die einen Teil des bewegten kulturellen Lebens in Altona schrieb auch daher kein Heimatforscher, sondern Walter Grab aus Tel Aviv. Er verdeutlichte für einen Teilbereich, dass sich Altonas kulturelle Vielfalt, wie es schon früher der Historiker Heinrich Lüdtke feststellte, durchaus mit Weimar vergleichen lässt.

1] Vgl. allgemein dazu: Franklin Kopitzsch, Altona – ein Zentrum der Aufklärung am Rande des dänischen Gesamtstaats. In: Klaus Bohnen und Sven-Aage Jörgensen, Der dänische Gesamtstaat. Kopenhagen –Kiel- Altona. Tübingen 1992, S. 91-118.
2] An meine Mitbürger. Ueber meine Theater-Unternehmung und ihre Auflösung. Den 1sten Mai 1802. Von Evers. Altona 1802, S. 4.
3] Über einige seiner Aktivitäten vgl. Carl Bröcker, Geschichte der St. Johannis-Loge «Carl zum Felsen» in Altona. 22. März 1796 bis 22 März 1896. Im Auftrage der Loge bearbeitet von Br. Carl Bröcker. Berlin 1897. Siehe auch Hans-Werner Engels, «Altona – Weimar des Nordens?» Vorgeschichte und Gründung der Altonaer Loge «Carl zum Felsen», Tätigkeit einiger ihrer Brüder bis zum Jahre 1800. In: Zirkelkorrespondenz vereinigt mit dem Niedersächsischen Logenblatt, Nr. 4 April 2001, S. 146-153.
4] Königliche Allergnädigst priviligierte Altonaer Addres-Comtoirs-Nachrichten, Nr. 6 19. Januar 1799.
5] (Joachim Lorenz Evers), Geschichte der französischen Staatsrevolution, aus den Grundursachen ihrer Entstehung und ihrer Verbindung mit der ältern Geschichte Frankreichs, entwickelt. Nebst Darstellung des Lebens und der Regierung Ludwigs XVI. Königs von Frankreich. Ein Lesebuch für unpartheiliche Weltbürger. Hamburg, bei Bachmann und Gundermann. 3 Theile, 1793–1795.
6] (Joachim Lorenz Evers), Schilderung des Lebens und Charakters der Königin Marie Antoinette von Frankreich. Mit dem Bildnisse der Königin. Von dem Verfasser des Lebens und Regierungsgeschichte Ludwigs des Sechzehnten. Bremen bei Friedrich Wilmans 1794 Zwei Theile.
7] (Evers), Geschichte (wie Anm. 5), 2 Theil, S. 79.
8] Ebd. 1. Theil, S. 265.
9] Ebd. 3. Theil, S. 117.
10] (Evers), Schilderung (wie Anm. 6), 2. Bd., S. 145 f.
11] Vgl. Holger Bönng – Emmy Moepps, Altona – Bergedorf – Harburg – Schiffbek – Wandsbek. Kommentierte Bibliographie der Zeitungen, Zeitschriften, Intelligenzblätter, Kalender und Almanache sowie biographische Hinweise zu Herausgebern, Verlegern und Druckern periodische Schriften. Stuttgart Bad Cannstatt 1997, Sp. 343-347.
12] Allgemeine Literatur-Zeitung Sonnabend, den 31. August 1799, Spalte 571.
13] Journal der neuesten Weltbegebenheiten, Februar 1798, S. 144.
14] Ebd., July 1799, S. 467.
15] Ebd. S. 474.
16] Evers, An meine Mitbürger (wie Anm 2), S. 7.
17] Zum periodischen Schrifttum vgl. Böning/ Moepps, Altona (wie Anm. 11); ferner Walter Grab, Demokratische Strömungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Zeit der ersten französischen Republik. Hamburg 1966; eine Analyse der Altonaer Verlage zu jener Zeit und deren Verlagsprogramme wäre lohnend.
18] Eudämonia oder deutsches Volksglück, Jg. 1797, Bd. 4, S. 160.
19] Zum Komplex zuletzt: Hans-Werner Engels, Johann Friedrich Ernst Albrecht (1752–1814) und das «National-Theater» in Altona, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd. 86 2000, S. 1-42
20] Evers, An meine Mitbürger (wie Anm. 2), S. 9.
21] Carl Ludwig Costenoble, Tagebücher, von seiner Jugend bis zur Übersiedlung nach Wien (1818) Hg. Von Alexander von Weilen. 2 Bde. (= Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte Bd. 18 und 19). Berlin 1912.
22] Vgl. AACN (wie Anm. 4), 31. Mai 1800.
23] Elise Bürger, das «Schwabenmädchen», wurde die dritte Frau des Göttinger Dichtes Gottfried August Bürger. Die Ehe wurde unter unerquicklichen Umständen geschieden. Vgl. zuletzt Hermann Kinder (Hg.), Bürgers Liebe. Dokmumente zu Elise Hahns und Gottfried August Bürgers unglücklichem Versuch, eine Ehe zur führen. Neu herausgegeben und mit einem Nachwort von Hermann Kinder. Göttingen 1999.
24] Costenoble (wie Anm.21), S. 130. Das Stück ist nicht aufzufinden.
25] (Joachim Lorenz Evers), Das achtzehnte Jahrhundert allegorischs Gemälde in zwey Aufzügen mit Gesang aufgeführt auf dem National-Theater zu Altona am 30sten und 31sten December 1800 und am 3ten und 7ten Januar 1801. Altona, 1801. Vgl. auch Costenoble, S.137;
26] Ebd. S. 5.
27] Ebd. S. 27.
28] Das Königliche Stammhaus Oldenburg oder: Die Wahl Christians des Ersten. Historisch-romantisches Schauspiel mit Gesang, in zwei Aufzügen von Evers. Die Musik vom Musikdirektor Hiller. Zur hohen Geburtsfeyer Sr. Majestät des Königs Christian des Siebenten und Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen Friedrichs von Dännemark aufgeführt auf dem Nationaltheater zur Altona am 28sten Januar, und wiederholt am 31sten Januar, 9ten Febr. Und 12ten März 1801. Altona, gedruckt von Eckstorff junior.
29] Costenoble (wie Anm. 21), 1. Bd., S. 131.
30] H. von Montenglaut, Biographische Skizze der gewesenen Schauspielerin und noch immer still-wirkenden Dichterin Sophie Albrecht in Hamburg, nebst einer Aufforderung an die Deutsche Künstlerwelt. In: Der Freimüthige. Berlin, Dezember 1828, S. 969.
31] AACN (wie Anm. 4), 1804 No. 36, Sonnabend den 5. Mai.