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ANTI-THESEN

Luther, Zwingli und Calvin
setzten sich zum Mahle hin.

Zwing, Calvin und Lutherli
machten sich ans Futterli.

Luth und Zwing mit frohem Mienli
gönnten sich dabei ein Winli.

Da entschloß sich auch der Calv,
daß er – hick! – beim Heben half.

Bis er – rülps! – sich überschrie:
»Luth, dich zwing ich in die Knie!

(Zwing, du bist hier nicht gemeint,
du mein Bu – kotz! – Busenfreund!)

Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang,
bleibt ein Luth sein Leben lang!«

Luth zog seinen Hammer für:
»Warte, Calv, ich komme dir!«

Thesen wurden da gehämmert,
bis selbdritt der Abend dämmert.

Also hat die drei entzweit
um das Abendmahl der Streit.

Klaus M. Rarisch
Ausfluß der Muse
Gedichte für das Menschenmaterial
Robert Wohlleben Verlag, Hamburg 1997 (Meiendorfer Druck 43)
16 unpaginierte Seiten, unaufgeschnitten und ohne Umschlag

 

 

 

 

Klaus M. Rarisch bei fulgura frango

 

 

 

Ernst-Jürgen Dreyer schreibt unterm 9.5.97 aus Kaarst:

Bei der Heimkunft … erfreute mich heute »Ausfluß der Muse« mit Deinem Widmungsgruß. Hab Dank! Es ist ein schmaler, aber starker Band, stark auch die drei älteren Gedichte, das erste, mit einem Sturm und Drang rauher Rhythmen, fliegt wie eine geballte Faust hervor, wenn man das Heft aufschneidet; und wenn man bei dem sanften Ausklang des Schlußsonetts anlangt, hat man das Gefühl, eine lange Reise gemacht zu haben. Später mehr dazu; es ist jedenfalls eine sehr eigenartige und gewichtige Veröffentlichung, im Charakter ganz anders als die »Bilanz«, die zwar als Zyklus einen sehr viel geschlosseneren Eindruck macht, aber auch verschlossener wirkt; hier hat man den Eindruck, dem Menschen selber zu begegnen, von dem wilden Jugendgedicht bis zu dem überraschend persönlichen Schlußgedicht. Dazwischen verdichtet es sich allerdings zu mehr als harten Nüssen, an denen man als Leser etwas aufzusprengen hat.

 

 

 

 

Ernst-Jürgen Dreyer bei fulgura frango

 

 

 

Heinz Ohff schreibt unterm 11.5.97 aus St. Ives/Cornwall:

Über Ihr Geschenk, den eben erschienenen »Ausfluß der Muse«, habe ich mich ganz besonders gefreut. Die 14 Gedichte, aufgezogen wie auf einer Perlenkette, gewinnen einen inneren Zusammenhang, daß man sie sich als Ganzes vertont zu einem Zyklus vorstellen könnte. Ich habe sie in meinem Studiosessel mit Meeresblick sofort alle nacheinander gelesen, das heißt: laut (wenn auch nicht überlaut oder gar stentorhaft) rezitierend, was ich nur selten tue. Dabei hat mich nicht gestört, Bekanntem zu begegnen, im Gegenteil – was Lyrik betrifft, so merke ich immer mehr, daß ich mir Altbekanntes im Laufe der Zeit allem Neuen vorzuziehen begonnen habe. … Lesen lassen sich übrigens – wenigstens für mich – am besten die »Anti-Thesen«, was aber wohl an meiner Freude an vermeintlichen Kalauern (»Zwing, Calvin und Lutherli«) liegt, die sich im Laufe des Gedichts 1. als ungemein sprachgewandt entpuppen und 2. als über alles Spachvirtuose hinaus eine durchaus tiefere Bedeutung haben. Die englische Literatur besitzt ja eine ganze Reihe von Dichtern, die sich auf eben diese nahezu undefinierbaren Zusammenhänge von Sprache und Sinn (Oder Unsinn!) konzentrieren, allen voran die unvergleichlichen Lewis Carroll und Edward Lear. Obwohl Ihr Humor etwas grimmiger gelagert ist, man könnte auch sagen: moderner, sind Sie auf diesem Gebiet einer der einsamen deutschen Meister, mit denen doch, Wagner zufolge, die guten Geister gebannt werden können. Ihnen liegt mehr daran, die schlechten Geister zu bannen, was, im Augenblick, sogar das Wichtigere sein dürfte. Die »Gedichte für das Menschenmaterial« – der Gebrauch des Wörterbuchs für Unmenschen paßt zu Thema und Zeit! – sind jedenfalls, über ihren dichterischen Wert hinaus ein Zeitdokument, wie übrigens alle gelungenen Dichtungen.

 

 

 

 

Heinz Ohff bei fulgura frango

 

 

 

Ingeborg L. Carlson schreibt unterm 30.5.97 aus Tempe/Arizona:

Was soll ich mehr bewundern, den beißenden Witz oder die unvergleichbare Sprachkunst? Zuerst verstand ich den Untertitel »Menschenmaterial« nicht, bis ich dann »Song aus dem Massengrab« las. … Ich bin begeistert. Aber auch entsetzt. Was verbirgt sich da unten. Ich mußte an Kafka denken. … Der Gedanke der Oblate: Was spürst du, wenn du einen Gott zerbeißt, das ist einmalig. Das macht Ihnen keiner nach. Welche Gedanken beschlichen mich dabei. – Aber die Krone ist doch »Luther, Zwingli und Calvin«. Ich bin einfach hingerissen. Werde noch lange an der »Speise« zu kauen haben. Macht mir große Freude und beeinträchtigt mich mächtig.

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