»Eine Parodie braucht nicht zwingend abwertenden Charakter zu haben, denn sie bestätigt die Bedeutung des Originals. Oft kann sie sogar eine Hommage für den parodierten Gegenstand sein.«
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Wikipedia
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Stimmt, wenn auch in Holzens Fall keineswegs immer. Manche der Parodisten neigten doch sehr zur Medisance, was laut Gero von Wilperts »Sachwörterbuch der Literatur« darauf abzielt, »Verfasser und Werk [
] der Lächerlichkeit preiszugeben und das eigene Überlegenheitsgefühl zu stärken«.
Kladderadatsch
Wo sich Arno Holz in seiner 1899 veröffentlichten Programmschrift »Revolution der Lyrik« mit den ablehnenden Reaktionen auf seine Phantasusgedichte befaßt, kommt er auch auf dies Satireblatt zu sprechen (S. 55):
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Der um unsre neuere Kultur so verdiente Kladderadatsch kann mir noch immer nicht verzeihen, daß ich seinem alten Rat, meine Kräfte in den Dienst der von ihm so begünstigten vaterländischen Essigfabrikation zu stellen, nicht gefolgt bin, und erfreut mich mit kleinen, reizenden Impromptus, die er geschmackvoll, statt mit Arno Holz, mit Arno Blech unterfertigt.
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51. Jg., Nr. 4, 23. 1. 1898, 2. Beiblatt:
Am Goldfischteich
Gedicht von Arno Blech.
Bei der Venus am Goldfischteich sitzt ein Strolch.
Wüstes, käsefarbenes Gesicht. Blaurothe Nase. Das linke Auge ist verschwollen.
Schäbiger Anzug.
Aus den abgetragenen Stiefeln schauen die großen Zehen. Die Allmutter
Sonne küßt sie.
Er rülpst.
Er rülpst noch einmal.
Mit unsicherer Hand zieht er einen Buddel heraus.
Es ist Schnaps darin.
Es ist Kümmel mit Pomeranzen.
Er trinkt. Er trinkt nochmals.
Es gluckst.
Auf der Bank ihm gegenüber sitzt ein Jüngling.
Blasses, durchgeistigtes Gesicht. Glühende Augen.
Er hat keinen Schnaps, aber dennoch ist er begeistert.
Er zieht ein Taschenbuch hervor.
Er blickt auf den Strolch und schreibt dann.
Er schreibt schnell. Er dichtet!
Wer ist der Dichter?
Ich!
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51. Jg., Nr. 33, 14. 8. 1898, 1. Beiblatt:
Gedicht
von Arno Blech.
Ich habe eben zu Abend gegessen.
Kaltes Eisbein und Harzkäse.
Nun sitze ich bei einer Cigarre und lese.
Ich lese meine eigenen Lieder.
Herrlich! Entzückend
Göttlich!
Wie kann nur ein Mensch so was dichten!
Plötzlich,
hoch über mir auf dem Dache,
ein Kater:
»Miau-au-au-au-u-u!«
Ich lasse das Buch sinken.
Die Augen schließen sich mir,
ich liege da, den Kopf in die Kissen des Lehnstuhls ....
Auch ich liebe,
liebe glücklich,
und auch ich bin
unverheirathet!
52. Jg., Nr. 53, 31. 12. 1899:
Auch ein Gedicht.
Hinter mir
steht
der Druckerjunge.
Er wartet
auf Manuscript, auf viel Manuscript,
denn eine Spalte ist noch
zu füllen!
Was soll ich
machen?
In Versen und Prosa habe ich mich heute
rein ausgeschrieben!
Da kommt mir ein rettender
Gedanke:
heiliger A r n o H o l z ,
hilf!
Ich schreibe drauf los.
Ich schreibe das dummste Zeug,
das mir in den Kopf
kommt,
denn alles, alles eignet sich
zu einem
Gedicht!
Ich schreibe drauf los,
ohne Reim,
auch ohne Rhythmus,
denn wozu sind beide da?
Ich schreibe
in kurzen Zeilen
und noch kürzeren
Zeilchen:
das schafft, das füllt!
Ich zähle:
schon über dreißig
Zeilen!
Hurrah! Hurrah!
Und noch einmal
Hurrah!
Ich habe schon die halbe Spalte
vollgemacht!
Jugend
4. Jg., Nr. 7, 1899:
Noch vor dem Erscheinen des zweiten Phantasushefts bot im Februar 1899 ein Otto Erich wars vielleicht der zum Spotten neigende Otto Erich Hartleben? auf einer Seite der »Jugend« ein graphisch eingefaßtes »Siebengestirn moderner Lyriker«. Er nahm dort außer Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, John Henry Mackay, Richard Dehmel, Otto Julius Bierbaum und Franz Evers auch Arno Holz aufs Korn:
Interieur
Ich
liege auf dem Bauche und kaue Tabak.
Ein Brimmer!
Scheusslich.
Hin und wieder
spitz ich die Lippen
und
pfeife auf das ganze Familienleben.
Arno Holz
Zielperson nicht Arno Holz, sondern Paul Ernst
???
Fliegende Blätter
1899 brachten die »Fliegenden Blätter« in ihrer Nummer 2801 zwei Seiten lang »Die Literatur im zwanzigsten Jahrhundert«, deklariert als »Ein Rückblick, geworfen auf der Universität Wien im Jahre 2000 von Professor Adalbert Schreibkrampf«:
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Das Verdienst, als erste das Gemeinverständliche mit kühnem Schwertschlag aus dem Tempel der Dichtkunst gejagt zu haben, gebührt der Dichterschule der Labyrinthiker. [
] Den Labyrinthikern reihten sich an: Die Symboliker, die Illusionisten und die Idiotiker. Von den letzteren fand namentlich Casimir Herzig großen Beifall mit seinen »Reiseeindrücken eines Stubenhockers«, die unter anderen das prächtige Stimmungsbild »An der Nordsee« enthalten. Es lautet:
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Vor mir
Eine Düne
Hinter mir
Eine Uhr
Tick tack
Sonst nichts
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Hanns von Gumppenberg: Das teutsche Dichterroß in allen Gangarten vorgeritten.
München: Verlag der Deutsch-Französischen Rundschau, 1901.
Seitenangaben nach 11. u. 12. Aufl. München: Georg D. W. Callwey o. J.
Hanns von Gumppenberg ließ in seinem Parodienbuch niemanden aus dem Regiment Sassenbach unverschont. Er hat also alle fünf Autoren als Individuen mit jeweils eignen Zügen wahrgenommen und nicht die »Schüler« oder »Jünger« als unbedeutenden, dem »Meister« nachtrottenden Troß abgetan, wie es der feindlich eingestellte »Hauptmannianer« Richard M. Meyer in seiner »Deutschen Literatur des Neunzehnten Jahrhunderts« tat.
S. 95 f.:
Genesung
Nein.
Es ist nichts.
Auch dies.
Auch dies
Und dies.
Nichts . .
Gar nichts!
Verpaffter Rauch
Rauch . .
Asche .
Eins nur eins!
Du .
Dich .
Dich so sehen!
So! Ganz so!
Ja .
Und heute
Heute . .
Da sah ich dich
Dich . .
So
Ganz so . .
Dich . . . . .
Oh ! !
Und
Mein
Verstand
Stand
Still.
. . . . . .
Still.
. . . . . .
Ganz still.
Nach Arno Holz
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S. 97 f.:
Vortrag
Ich singe ihnen meine Lieder vor,
Den Herzen aus Speckstein und Nahgelfluh.
Der Blüthnerflügel
Vergießt Tränenströme,
Mein Herz schluchzt mit,
Das ganze Parkett wird naß.
Meine Stirn bohrt sich in die Tasten,
Ich schau nicht um:
Denn da hinten hocken
Lackierte Ölgötzen:
Rauchtopasaugen,
Iltiszähne,
Igelohren,
Aber doppelknöpfige Handschuhe.
Ich spiele forte,
Crescendo,
Fortissimo,
Sie müssen!
Zuletzt schrei ich, spring auf,
Würge, übergebe mich. .
Da liegts,
Blutrotzuckend,
Ein laatschiger, quatschiger Matsch
M e i n H e r z ! !
Ich lächle betreten.
Die Ölgötzen klatschen ein bißchen.
Sie warten noch immer.
Ich würge weiter
Würge, würge . . .
raus!!
Aber es kommt nichts mehr.
Nach Arno Holz [
tatsächlich Stolzenberg]
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S. 99:
Einst
war meine Seele ein sanftes Ferkelchen.
Das
Packten sie,
Schoren ihm gierig die weißen Börstchen,
Stießen ihm mit dem Stiefelabsatz
Das rosige Schnuffelschnutchen blutig.
Sein jämmerliches Quieckquieckquieck
Rührte sie nicht.
Meine Blutkrusten
Wurden Hornhäute;
Zur harten Stachelkröte wuchs ich
Mit dreißig strotzenden Giftdrüsen.
Nur näher getreten,
Herrschaften!
Alle beiß ich euch in den Bauch!!
Denn das ist mir die liebste Stelle.
Nach R. W. Martens (Arno Holz-Schule)
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S. 100:
Frühlingserwachen
Auf einem wippenden Wickenreis
Sitzt ein Distelfink,
Piepst.
Dicht an der wippenden Wicke
Trippelt nervös
Die horchende goldne Prinzeß . .
Wird gleich auch piepsen!
Denn der Frühling kommt.
Nach Ludwig Reinhard (Arno Holz-Schule)
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S. 101:
Rücksicht
Mein kleines blasses Schwesterchen
Sitzt auf ihrem weißen Töpfchen
Mit dem blauen Blumenmuster,
und kuckt in eine grüne
Bonbondüte.
Sie ist sehr beschäftigt.
Und ich will sie nicht stören.
Nach der Arno Holz-Schule [und zwar nach Ludwig Reinhard]
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S. 102:
Kontrollversammlung
Endlich wieder ein angenehmer Tag!
Herbstkontrollversammlung
Meiner fünfhundert Sehnsuchten.
Lauter Reservisten.
Ausgemergelte Fetische
Mit Augen von Glasperlen,
Altgebackene Engel
Mit frischgewaschenen Flügeln.
Einen nach dem andern
Laß ich antreten,
Pack ihn beim Schlawittchen,
Beutle ihn,
Nick ihm noch einmal wohlwollend zu,
Und kragle ihn ab.
Nach der Arno Holz-Schule [und zwar nach Ludwig Reinhard]
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S. 103:
Dank
Wenn aber mein Gehirn nachläßt,
Dann nähren kleine Dinge
Freundlich meinen Geist:
Ein Tintenklex auf meinem Federhalter,
Ein hinterlaßnes Fliegentüpfelchen
Auf meiner Buttermilch.
Dank, Klex!
Dank, Tüpfelchen!
Ihr gebt mir wieder Gedanken.
Nach der Arno Holz-Schule [und zwar nach Ludwig Reinhard]
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S. 104:
Die Hoffnung
Meine Hoffnung
Ist ein altes, zusammengeklapptes,
Lustverludertes, runzelverledertes
Lumpenweib!
Tag und Nacht heult sie
Bei einer Talgfunzel
In ihre rostige Gießkanne,
Schlampt damit
zum Kirchhofwinkel,
Und will ihre toten Bankerte
Tränken
Als ob die noch Durst hätten
nach Vettelgeflenn!
Nach Georg Stolzenberg (Arno Holz-Schule)
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S. 105:
Der Tote
In meinem Grab
Stinkt längst ein Andrer.
Ich bin nur mehr
Eine Nasenwurzel;
Durch meine Löcher scheint der Mond,
Das tut weh,
Noch mehr als der Andre.
Wanderer, hast du keine Zigarette für mich?
Wenn ich wenigstens noch niesen könnte!
Nach Robert Reß (Arno Holz-Schule)
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Die Zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl aus vergangenen Jahrhunderten und aus unsreren Tagen.
Begründet von Maximilian Bern. 3. Bd. Grotesken und Satiren. 800 Jahre deutschen Humors in Vers und Prosa. Hg. von Richard Zoozmann. Berlin: Otto Elsner 1929, S. 166:
Ein Fantasus-Frühstück.
(Nach Arno Holz.)
Ich
sitze sinnend
vor dem rätselhaftröchelnden rotbäuchigen russischen
Samowar.
Meine Frau (Allah sei Dank, daß ich eine habe!)
sitzt mir gegenüber im leisknarrenden Peddigrohrsessel.
Meine Tochter (die berühmte Filmamsel,
demnächst ein Star)
mit kaliklorablitzenden Zähnen lieblächelnd,
den pixavongewaschenen Bubikopf schämigschüttelnd,
streicht mir flinkfingrig ein Frühstücksbrötchen,
braunknusprig, mit Butter und Blütenhonig mehr Butter bitte!
Da klingelts!
Der Träger der Briefe vom Amte der Post bringt einen Brief:
Familie Selicke
wird sich die Ehre geben, nachmittags ihre
Aufwartung zu machen
»Mieße Mischpoke,« meint meine Frau.
»Foosche Familie,« meint meine Tochter, die Fee-benamste,
Und zieht ihr hortiflorcremegepflegtes Näschen kraus.
Ich meine gar nichts,
Denke aber in meines Busens Brunnentiefe:
»Ihr habt ja so recht.«
Das ganze Frühstück ist mir vermießt. Ich erhebe mein
hämorrhoidales Hinterteil
vom Chippendale-Diwan und verpflanze mich
auf den Balkon, eine Zigarette »Zaire« entzündend
Versunken nun alles! Selig !
Nur noch
Ich.
Ähnlich wie schon bei den Parodien in Kladderadatsch und den Fliegenden Blättern ist in diesem Fall die Parodie einem ausgesprochen zu Häme neigenden Gemüt entsprungen. Hier ist nur wenig, was wirklich mit Arno Holz zu tun hat. »Die Familie Selicke« ist da, das naturalistische Drama von Holz und Johannes Schlaf. Mit dem Kosenamen »Fee« ist die von Anita Holz in die Verbindung (ab 1926 Ehe) mitgebrachte Tochter aus der Ehe mit dem Architekten Felix Tilk präsent, die allerdings nie mit Film zu tun hatte. Die auf dem Balkon entzündete Zigarette, anscheinend nobler Sorte, sollte vielleicht auf die gelegentlich in Holzens Gedichten vorkommenden, eher kommunen Zigarren und Pfeifen anspielen. Einzig textlich lokalisierbar sind die drei Schlußzeilen der Parodie, die den Schluß des Gedichts auf Seite 12 der Reclamschen Faksimileausgabe des Phantasus aufnehmen, sozusagen roh aus dem Zusammenhang gerissen:
Versunken Alles. Nur noch ich.
Selig.
Zur Vorlage für den Gedichtschluß
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Kurt Pinthus (Konvolut »Gedichte und Gedichtentwürfe« im Deutschen Literaturarchiv in Marbach), wiedergegeben nach Jae Sang Kim: Dichtergedichte als Gründungsdokumente der expressionistischen Avantgarde. Diss. Freiburg i. Br. 2007, S. 97:
Arno Holz
Auf einer grünen Wiese
steht ein Schaf
Die Sonne
blendet mich
Ich blinzle.
Das Schaf blökt
Ich fasse mich
an meine Stirne.
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Schaf!
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Mutmaßliche Anregung dazu
Zusammengetragen von Robert Wohlleben
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