»Der Schimmelreiter |
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Der Schriftsteller und »Zwergverleger« Robert Wohlleben entdeckte nun, daß sich Gorch Focks erfolgreiches Frühwerk mit Theodor Storms »Schimmelreiter« vergleichen läßt. Es geht ihm darum, Zusammenhänge aufzudecken: »Kein Diebstahl ist anzuklagen, sondern ein gelungenes Kunststück im Sinne des literarischen Manierismus zu bewundern. Gorch Fock hat eine höchst kunstvolle Adaptierungstechnik angewandt, wie wir sie ähnlich etwa bei Joyce und Arno Schmidt finden können.« (S. 12) Das Buch, ein ungewöhnlicher Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte, ist weit entfernt von der Langweiligkeit ähnlicher Arbeiten. Die Untersuchung umgeht nämlich bewußt die herkömmliche Form von Literaturanalysen und versteht sich nicht als Hochschulschrift. Vielmehr erzählt und plaudert der Verfasser aus der Ich-Perspektive. Seine Darstellung liest sich daher teils wie ein Essay, teils wie ein langer Brief an einen gebildeten Freund. Wohlleben läßt den Leser an den Zufällen teilhaben, die zur Entstehung seines Buches führten. Weiterhin erfährt man nicht wenige Einzelheiten über sein Leben, wird Komplize seiner Gedanken, denn niemals blendet sich der Verfasser aus. Es sei festgestellt, daß man den Ausführungen des Schriftstellers und Kleinverlegers lustvoller folgen kann, wenn der »Schimmelreiter« und »Seefahrt ist not« noch einmal gelesen wird: zwei Nachmittage sind zu opfern. So gerüstet, vertieft man sich gerne in Wohllebens akribisches Unterfangen. Er beginnt damit zu verdeutlichen, inwiefern sich Hauke Haien und Klaus Mewes jun. ähneln. Parallelen gibts genug; wenn sich die beiden jugendlichen Helden dabei hervortun, Tiere zu quälen, so ist das recht auffallend. Ein Zufall? Kniffliger wird es aber, wenn Wohlleben zudem diametrale Gegensätze aufdeckt, als er z. B. Hauke Haiens schwachsinnige und zarte Tochter Wienke mit dem »Monsterkind« (S. 40) Klaus Mewes vergleicht. Auffallend ist, wie ernst Robert Wohlleben Gorch Focks »Seefahrt ist not« nimmt, handelt es sich doch um einen Roman vor dem nicht nur die linke Intelligenz die Nase rümpft. Der Verfasser resümiert: »Seefahrt ist not! sieht hochartifiziell aus ... wie ich das von Gorch Fock mit seinem trivialen Gestus nie erwartet hätte. Ich bin beeindruckt. Gedenke nun aber nicht, so ein Theater zu machen wie Schmidt mit dem Reiche des silbernen Löwen. Seefahrt ist not! bleibt in meinem Urteil eine Klamotte aber eine höchst bemerkenswerte.« (S. 182) Besondere Brisanz gewinnen seine Ausführungen, wenn er am Schluß sich mit der Gorch Fock-Rezeption auseinandersetzt. Bissig und böse attackiert er Versuche, Gorch Focks Werk als Blut- und Boden-Literatur zu sehen, und kritisiert Kay Dohnke, der Gorch Fock als »Vordenker nationalsozialistischer Ideologie« deuten will. Seine Kritik erhält insofern nachdrückliches Gewicht, da er weltanschaulich weit von allem Rechten entfernt ist. Der Rezensent muß feststellen, daß er die Bundesmarine, die Bundesbahn, Deutschlehrer und Deutschunterricht nicht mit der angebrachten Achtung erwähnt, die solche Grundfesten unserer Gesellschaft verdienen. Hans-Werner Engels
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