Vorwort
«SCHielfleiSCH» ist der Versuch, jahrzehntelange Palindromstudien einer Großform nutzbar zu machen, in der sich erzählende, lyrische, dramatische und Hörspiel-Elemente die Waage halten. Ein assoziativ gleitender Dialog aus ausschließlich palindromischen Passagen suggeriert einen Fall von Spaltungs-Irresein: Stimmen hetzen ein Individuum durch die vier Elemente, zwingen es, die Welt zu benennen und umzubenennen, stiften es zu erotischen Initiativen an und hetzen es zuletzt zu einer globalen Brandstiftung auf.
Das Palindrom als Radikalfall des Anagramms ist eine absurde Textform, deren Zeichenfolge vor- und rückläufig gelesen Sinn ergibt. Es hat in allen Schriftsprachen zu Rätselsprüchen von dunkler Triftigkeit geführt, so im Mönchslatein zu dem berühmten Satz «In girum imus nocte et consumimur igni»: Wir kreisen in der Nacht und werden vom Feuer verzehrt. Dieses Kreisen ist auch das Kennzeichen des Palindroms selbst, das buchstäblich anfang- und endelos in sich selbst münden kann. Die Schwierigkeit, einen doppelt zu lesenden Text durch die Klippen der Syntax zu steuern, führt den Palindromisten von selbst zur Dichte nichtalltäglicher Ausdrucksweise, und das Kreisen in sich wiederholenden Vokalen und Konsonanten ergibt eine spezifische Klanglichkeit. Beides zusammen macht «SCHielfleiSCH» zu einer Wort-Musik, in der kein Detail von seiner Stelle gerückt werden kann ein geheimnisvolles Binnenprinzip determiniert jedes Zeichen und jeden Laut. |