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WIEDERVEREINEIIGUNG

Ein Siamzwilling, sanft wie einst Paul Heyse,
folgt dem Gesetz, sich zu reproduzieren,
läßt sich loyal lebendigen Leibs halbieren,
daß jeder Teil sich liebesstark erweise.

Da kommt de Gaulle auf einer Galareise
nach Siam, seine Nase vorzuführen.
Die Massen voll Emphase intonieren
dem Gast zum Preise laut die Marseillaise.

Doch unbeglänzt vom fremden Nasenglanz
drehn sich wie blinde Schnucken auf der Heide
die Zwillingshälften im Zweiphasentanz:

so zum Ekstasenkranz verschlungen beide,
sind sie bald Weibesleib, bald Leib des Manns,
und keines ganz - bis daß der Tod sie scheide.




ZWEI STÜHLE


Da stehen sie, abhold dem Weltgewühle,
im überallesdeutsch verstaubten Eck,
betrauern den geraubten Daseinszweck,
bedauern - ätsch! - verlorne Etschasyle,

maasmemelbeltgeprellt um die Gefühle
der Riesenwellenrecken hoch am Reck,
und wollen eines nur: sie wollen weg,
zwei arme alte ridiküle Stühle.

Sie wissen nicht, wer vordem sie besessen.
Die einst da saßen, ducken sich karnickelt,
ihr Sitzfleisch fühlt sich vom Gesetz gepeinigt.

Besitzint’ressen werden nicht vergessen,
der Sitzgeist nur wird amtlich abgewickelt.
Sie sind vereinigt, aber nicht gereinigt.


LUCAS CRANACH DER JÜNGERE
(1515-1586)
CARITAS
um 1540
Schloßmuseum zu Weimar


Das Gemälde aus dem 16. Jahrhundert erweist sich als aktuelle Allegorie auf unsere politische Gegenwart. Die füllige Frauengestalt stellt unsere Bundesrepublik dar. Sie nährt mit ihrer einen Brust – der rechten – liebevoll ein Kind, das kerndeutsch sein muß. Ein zweites Kind verschmäht die ihm gewährten Wohltaten, ist im Begriff, einen ihm (vermutlich vom Sozialamt) geschenkten Apfel achtlos und undankbar auf den Boden fallen zu lassen, und legt seine Hand frech auf den Schenkel der Frau (Anspielung auf die gesteigerte Kriminalität, Lüsternheit, ja Vergewaltigungsbereitschaft unerwünschter Ausländer). Dieses Kind muß seine jetzt erst spärlich gewachsenen Haare vorsorglich mit einem dünnen Band zusammenhalten, es wird sich also zu einem langhaarigen Chaoten entwickeln. Es ist offenbar ein junger Asylbewerber, der sich illegal in der Genuß dessen bringen will, was ihm nicht zusteht, der Milch aus der anderen Staatsbrust. In unbegreiflicher Milde rügt Frau Bundesrepublik diese Unverschämtheit aber nicht, blickt vielmehr an dem jungen Frechling vorbei und symbolisiert damit das Versagen der Staatsgewalt vor dem Asylbetrügerproblem. Was Wunder, daß sich ein drittes Kind dagegen empört, indem es seine rechte Hand zum deutschen Gruß hebt und dem Asylanten drohend ins Gesicht sieht, der sich aber – als Gipfel der Frechheit! – von dieser berechtigten Warnung nicht im geringsten abschrecken läßt. Im nächsten Moment wird es zur Auseinandersetzung kommen: Wer nicht hören will, muß fühlen. Falls man noch an der Aktualität der Szene zweifeln sollte, betrachte man die Frau genauer: Sie trägt an goldener Kette um den Hals ein Schmuckstück mit fünf Perlen, die nichts anderes als die fünf neuen Bundesländer bedeuten können. Was einen aufrechten Deutschen mit der Allegorie versöhnen könnte, ist die Tatsache, daß die Frau mit dem nackten Hintern fest auf ihrer Schatztruhe sitzt. Sie hat sich also endlich entschlossen die weitere Plünderung unseres Volksvermögens durch hergelaufenes Gesindel zu unterbinden. Der Kommentator fürchtet allerdings, daß ihm mit dieser Auffassung von Lucas Cranach dem Jüngeren eine Karriere als Führer durch das Schloßmuseum zu Weimar versagt bleiben wird.

Klaus M. Rarisch. 30.11.1992

     
 

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