Zu www.fulgura.de mit Navigations-Kolumne

Altonaer Museum ... bis 1943
Altonaer Museum
vor der Teilzerbombung im Zuge des ersten Groß-Luftangriffs (25. VII. 1943)

Altonaer Museum … nach Bomben und Feuer jetzt endlich weggespart?
Oder: Wo sind wir denn hier?!

Hamburg schließt Altonaer Museum
Hamburg. Das Altonaer Museum in Hamburg wird geschlossen. Das hat der schwarz-grüne Senat beschlossen. Bürgermeister Christoph Ahlhaus sprach von einem schmerzlichen, aber notwendigen Einschnitt. Das Altonaer Museum war 1863 gegründet worden. Es gilt als eines der traditionsreichsten Museen der Stadt. In dem Haupthaus und den beiden Außenstellen, Jenisch Haus und Rieck Haus, werden insgesamt rund 640.000 Objekte präsentiert. Der Etat für dieses Jahr umfasst 3,5 Millionen Euro.

So (in etwa) eine lapidare dpa-Meldung vom 22. September 2010. Nun wird also dichtgemacht, was in bald 150 Jahren (oder gar gut 200) in Altona gewachsen, mit Altona verwachsen ist … als wärs ein kaufhäusliches Betonhorrendum aus den Sechzigern und Siebzigern. Die Bomben der »Julikatastrophe« von 1943, die schweren Brandschäden vom 31. Mai 1980 brachten nicht zuwege, was jetzt einem Sparbeschluß gelingen soll.

Die Ursprünge und das Werden dessen, was jetzt verschwinden soll, zeichnete der Altonaer Stadtarchivar Paul Theodor Hoffmann nach:

Bereits 1856 hatte der Vorstand der Altonaer Sonntagsschule damit begonnen, Sammlungen anzulegen, die das Gebiet der Natur- und Völkerkunde sowie der Heimatgeschichte in anschaulichen Beispielen zu vergegenwärtigen suchten. 1863 gründeten dann besonders heimatkundlich interessierte Männer, Pastor Schaar, W. Pustau, G. Dreyer, Dr. Gottsche, W. H. Nopitsch, H. Siemsen, Dr. v. Thaden, Otto Semper und W. Knauer, das »Öffentliche Museum« zu Altona. Dieses war zunächst in einem Hause an der Palmaille untergebracht, entwickelte sich durch Stiftungen und städtische Mittel alsbald bedeutungsvoll weiter, so daß der Platz für die Sammlungen nicht ausreichte und 1899 ein besonderer Museumsbau beschlossen wurde.*) Zugleich ward der bisherige Oberlehrer am Realgymnasium, Dr. Otto Lehmann, der sich auf dem Gebiete der Naturwissenschaften und der Heimatkunde bereits trefflich bewährt hatte, zum Direktor berufen. Unter seiner Leitung ist sodann das Museum eingerichtet, eingeweiht und ausgebaut worden. Im Jahre 1914 erfolgte eine beträchtliche Erweiterung des vorhandenen Baues, der es ermöglichte, die Sammlungen noch übersichtlicher und vollständiger zur Schau zu bringen.
————————————
*) Die Architekten Reinhardt & Süßenguth in Charlottenburg bauten das Museum. Am 2. Februar 1899 wurde der Grundstein gelegt und zwar auf dem durch die Verlegung des ehemaligen Altonaer Bahnhofes frei gewordenen Gelände am Lobusch. Am 16. September 1901 wurde das Haus eingeweiht. 1912–1914 wurde der Museumsbau nach den Plänen von Raabe & Wöhlecke erweitert und konnte nun die Volksbücherei, die Lesehalle und das Freie Bildungswesen aufnehmen.

Paul Theodor Hoffmann:
Neues Altona 1919–1929
Zehn Jahre Aufbau einer deutschen Großstadt
(Jena: Eugen Diederichs 1929)
Zweiter Band, S. 627

Eine erste Museumsidee keimte 1799 auf, als der in Altona zugezogene Buchhändler und Verleger Diederich Vollmer die Gründung eines auf Geselligkeit und Bildungsimpulse ausgerichteten, als »Musaeum« bezeichneten Kulturvereins betrieb. 1803 hieß es im Journal »Hamburg und Altona« dazu:

Der Zwek dieser Gesellschaft, die schon 1799 ihren Anfang genommen, sich aber erst seit 1800 in dem jezt erwähnten Hause [in der Königstraße] versammelt, ist nach ihren Statuten: theils gegenseitige freundschaftsvolle Mittheilung und Belehrung, theils Erholung von ernsten Geschäften durch gesellschaftliche Unterhaltung, Lektüre, Spiel, Musik, Tanz. Bis jezt ist sie demselben ganz getreu geblieben, und es scheint nicht, daß die Mehrheit des Altonaer Museums sich je die Schande anthun werde, sich zu einem bloßen Spielgelag zu konstituiren. Es wird noch jährlich ein Beträchtliches auf Vermehrung der Bibliothek verwandt, mit der ein werdendes Naturalienkabinet und eine Sammlung von Kupferstichen, Landcharten und einiger physikalischen und mathematischen Instrumente verbunden ist.

Heinrich Würzer:
Ein Spazziergänger in Altona (1801–1804)
Mit einem Nachwort herausgegeben
von Hans-Werner Engels
Meiendorfer Druck Nr. 42 (1997)
S. 92 f.

(Die Bedeutung der Bezeichnung »Museum« war damals etwas weiter gefaßt als heute; Dr. Joh. Christ. Aug. Heyse’s allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch – Sechzehnte einzig rechtmäßige Original-Ausgabe, 1879 – erklärt: »ein Musentempel od. den Musen, d. i. der Gelehrsamkeit, den Künsten und Wissenschaften gewidmeter Ort, z. B. eine Studirstube; eine Bücher-, Naturalien- oder Kunstsammlung; auch eine Sammelschrift, wissenschaftliche Zeitschrift vermischten Inhalts«.) Wie lange dieser Club Bestand hatte, weiß ich nicht. In einer 1841 erschienenen Altona-Beschreibung wird jedenfalls ein Museum erwähnt.

Nun scheint sich der Gedanke durchzusetzen, mehr als 150 Jahre seien mehr als genug … also weg damit. Sind andre Gedankengänge im Spiel? Was läßt sich vom schwarz-GALigen Entscheidungsgremium vermuten oder erwarten?

Was die CDU angeht, bietet sich schon mal das griffige und bewährte Vorurteil von der Pfeffersackmentalität an: Was sich nicht rechnet, kommt nicht in die Tüte. Das ergibt klare und einfache Schnittmuster für die Rechenstuben. Was nun nicht heißt, daß nicht auch schmückendes Beiwerk finanziert werden könnte … solange es dazu geeignet ist, Wirtschaftskraft zu signalisieren und damit geldwerten Aufschwung zu sichern. Ein von alters her geübter Brauch. Die wilhelminische Zeit war recht groß darin. Ihr verdankt Hamburg etwa das jetzige Rathaus, 1896/97 für rund 10 Millionen Mark in üppig ausgereiztem Neorenaissancestil erbaut. Die damaligen Architekten haben sich vielleicht am 1882 vollendeten Neubau des Hôtel de Ville in Paris gemessen. Für die ästhetische Dimensionierung der entstehenden »Elbphilharmonie« hat die Oper von Sydney Maßgabe zu sein.

Das alte Muster von Standortvermarktung per Repräsentation ist also immer noch aktuell. Virulent geradezu, denn in der elbphilharmonischen Planungsphase konnte niemand ahnen, was da an Kosten auf die Stadt zukommt. Schon die Wegbahnung fürs Airbuswerk auf Finkenwerder hat etwa ab 2001 Hunderte Millionen städtische Euro im Mühlenberger Loch und drumherum verschwinden lassen. Und so weiter. Die momentane Kostenexplosion am Dalmannkai führt jetzt natürlich zu gewaltigem Erschrecken. Und zum Sparen ohne Rücksicht auf Verluste.

Und was könnte die Grün-Alternative Liste zum Abräumen des Altonaer Museums bewegen? Vermutlich schon mal schlicht »machtsichernde« Koalitionsraison. Ob zudem auch noch antibürgerliche Ressentiments geistern …? Mit Blick auf die buntscheckige Genese der GAL vielleicht nicht ganz auszuschließen. So etwas konnte vor 30, 40 Jahren – gewiß von Maos Kulturrevolution befeuert – ja ausgesprochen Blüten treiben.

Stuhlmannbrunnen

Noch ’n Verdacht. Der Stuhlmannbrunnen bringt mich drauf, der ja Hamburgs und Altonas Kampf um die Fischfangrechte allegorisieren soll. – Bereits vor langer Zeit (und seither anhaltend) fühlte sich Hamburg von Altona gestört. Als die noch kleine Fischersiedlung im 16. Jahrhundert abbrannte, regten die Hamburger beim Drost in Pinneberg an, das Örtchen bloß nicht wieder aufzubauen. Das Ansinnen blieb erfolglos. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz vom 26. Januar 1937, ab 1. April 1938 wirksam, gelang endlich und wenigstens eine Übernahme.

Wobei anzumerken wäre, daß dies Gesetz – obschon 1937 erlassen – keine Nazi-Erfindung war. Bei Paul Theodor Hoffmann ist zu lesen, daß der Altonaer Magistrat im Verlauf der revolutionären Unruhen vom November 1918 erwog, mit dem Groß-Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat über eine Eingemeindung von Altona und Umgebung zu verhandeln. Man wollte »Altonas schwierige wirtschaftliche und soziale Lage retten« (a. a. O., Erster Band, S. 8). 1925/26 verhandelten die Staaten Hamburg und Preußen ergebnislos über Gebietszusammenlegungen und -ausgleiche (a. a. O., Erster Band, S. 20). Wenigstens kamen am 1. Juli 1927 »die umliegenden Ortschaften von Stellingen-Langenfelde bis Blankenese, Sülldorf und Rissen« zu Altona (a. a. O., Erster Band, S. 22).

Was einmal »Hamburgs schöne Schwester« war, wurde am 1. April 1938 sozusagen zu Hamburgs nur bedingt geliebter Adoptivtochter. Zu lange wohl war Altona für Hamburg Konkurrent und damit Pfahl im Fleische oder Dorn im Auge gewesen. Es hat den Anschein, als sei dies Empfinden bis heute nicht erloschen.

Hamburgs schöne Schwester
Postkarte »Hamburgs schöne Schwester«
der Bürgerinitiative Altonaer Museum bleibt!
(gestaltet von Hinnerk Bodendieck)

Zurück zum Museum. 1905 schrieb Alfred Lichtwark, der souveräne und vorausschauende Gründungsdirektor der Hamburger Kunsthalle, wohlwollend interessiert über Bedeutung und Zukunft des wenige Jahre zuvor eröffneten Altonaer Museums:

Wir werden von Hamburg aus mit freundnachbarschaftlicher Teilnahme verfolgen, was in Altona geschieht, um der Barbarei der heutigen Menschheit, die nur noch gut leben will, zu steuern. Alles Gute, was dort geschieht, kommt mittelbar oder unmittelbar auch uns zu nutz, sei es auch nur als Beispiel und Anregung.

Hans-Günther Freitag, Hans-Werner Engels:
ALTONA
Hamburgs schöne Schwester
Geschichte und Geschichten
(Hamburg: Hamburger Abendblatt 1982)
S. 322

Seine Meinung über die seinerzeitige Menschheit soll uns heute nicht interessieren.

Ottensen, Ende September 2010

Robert Wohlleben

Altonaer Museum heute
Altonaer Museum heutigentags