Altonaer Museum
nach Bomben und Feuer jetzt endlich weggespart?
So (in etwa) eine lapidare dpa-Meldung vom 22. September 2010. Nun wird also dichtgemacht, was in bald 150 Jahren (oder gar gut 200) in Altona gewachsen, mit Altona verwachsen ist als wärs ein kaufhäusliches Betonhorrendum aus den Sechzigern und Siebzigern. Die Bomben der »Julikatastrophe« von 1943, die schweren Brandschäden vom 31. Mai 1980 brachten nicht zuwege, was jetzt einem Sparbeschluß gelingen soll. Die Ursprünge und das Werden dessen, was jetzt verschwinden soll, zeichnete der Altonaer Stadtarchivar Paul Theodor Hoffmann nach:
Eine erste Museumsidee keimte 1799 auf, als der in Altona zugezogene Buchhändler und Verleger Diederich Vollmer die Gründung eines auf Geselligkeit und Bildungsimpulse ausgerichteten, als »Musaeum« bezeichneten Kulturvereins betrieb. 1803 hieß es im Journal »Hamburg und Altona« dazu:
(Die Bedeutung der Bezeichnung »Museum« war damals etwas weiter gefaßt als heute; Dr. Joh. Christ. Aug. Heyses allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch Sechzehnte einzig rechtmäßige Original-Ausgabe, 1879 erklärt: »ein Musentempel od. den Musen, d. i. der Gelehrsamkeit, den Künsten und Wissenschaften gewidmeter Ort, z. B. eine Studirstube; eine Bücher-, Naturalien- oder Kunstsammlung; auch eine Sammelschrift, wissenschaftliche Zeitschrift vermischten Inhalts«.) Wie lange dieser Club Bestand hatte, weiß ich nicht. In einer 1841 erschienenen Altona-Beschreibung wird jedenfalls ein Museum erwähnt. Nun scheint sich der Gedanke durchzusetzen, mehr als 150 Jahre seien mehr als genug also weg damit. Sind andre Gedankengänge im Spiel? Was läßt sich vom schwarz-GALigen Entscheidungsgremium vermuten oder erwarten? Was die CDU angeht, bietet sich schon mal das griffige und bewährte Vorurteil von der Pfeffersackmentalität an: Was sich nicht rechnet, kommt nicht in die Tüte. Das ergibt klare und einfache Schnittmuster für die Rechenstuben. Was nun nicht heißt, daß nicht auch schmückendes Beiwerk finanziert werden könnte solange es dazu geeignet ist, Wirtschaftskraft zu signalisieren und damit geldwerten Aufschwung zu sichern. Ein von alters her geübter Brauch. Die wilhelminische Zeit war recht groß darin. Ihr verdankt Hamburg etwa das jetzige Rathaus, 1896/97 für rund 10 Millionen Mark in üppig ausgereiztem Neorenaissancestil erbaut. Die damaligen Architekten haben sich vielleicht am 1882 vollendeten Neubau des Hôtel de Ville in Paris gemessen. Für die ästhetische Dimensionierung der entstehenden »Elbphilharmonie« hat die Oper von Sydney Maßgabe zu sein. Das alte Muster von Standortvermarktung per Repräsentation ist also immer noch aktuell. Virulent geradezu, denn in der elbphilharmonischen Planungsphase konnte niemand ahnen, was da an Kosten auf die Stadt zukommt. Schon die Wegbahnung fürs Airbuswerk auf Finkenwerder hat etwa ab 2001 Hunderte Millionen städtische Euro im Mühlenberger Loch und drumherum verschwinden lassen. Und so weiter. Die momentane Kostenexplosion am Dalmannkai führt jetzt natürlich zu gewaltigem Erschrecken. Und zum Sparen ohne Rücksicht auf Verluste. Und was könnte die Grün-Alternative Liste zum Abräumen des Altonaer Museums bewegen? Vermutlich schon mal schlicht »machtsichernde« Koalitionsraison. Ob zudem auch noch antibürgerliche Ressentiments geistern ? Mit Blick auf die buntscheckige Genese der GAL vielleicht nicht ganz auszuschließen. So etwas konnte vor 30, 40 Jahren gewiß von Maos Kulturrevolution befeuert ja ausgesprochen Blüten treiben. Noch n Verdacht. Der Stuhlmannbrunnen bringt mich drauf, der ja Hamburgs und Altonas Kampf um die Fischfangrechte allegorisieren soll. Bereits vor langer Zeit (und seither anhaltend) fühlte sich Hamburg von Altona gestört. Als die noch kleine Fischersiedlung im 16. Jahrhundert abbrannte, regten die Hamburger beim Drost in Pinneberg an, das Örtchen bloß nicht wieder aufzubauen. Das Ansinnen blieb erfolglos. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz vom 26. Januar 1937, ab 1. April 1938 wirksam, gelang endlich und wenigstens eine Übernahme. Wobei anzumerken wäre, daß dies Gesetz obschon 1937 erlassen keine Nazi-Erfindung war. Bei Paul Theodor Hoffmann ist zu lesen, daß der Altonaer Magistrat im Verlauf der revolutionären Unruhen vom November 1918 erwog, mit dem Groß-Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat über eine Eingemeindung von Altona und Umgebung zu verhandeln. Man wollte »Altonas schwierige wirtschaftliche und soziale Lage retten« (a. a. O., Erster Band, S. 8). 1925/26 verhandelten die Staaten Hamburg und Preußen ergebnislos über Gebietszusammenlegungen und -ausgleiche (a. a. O., Erster Band, S. 20). Wenigstens kamen am 1. Juli 1927 »die umliegenden Ortschaften von Stellingen-Langenfelde bis Blankenese, Sülldorf und Rissen« zu Altona (a. a. O., Erster Band, S. 22). Was einmal »Hamburgs schöne Schwester« war, wurde am 1. April 1938 sozusagen zu Hamburgs nur bedingt geliebter Adoptivtochter. Zu lange wohl war Altona für Hamburg Konkurrent und damit Pfahl im Fleische oder Dorn im Auge gewesen. Es hat den Anschein, als sei dies Empfinden bis heute nicht erloschen.
Zurück zum Museum. 1905 schrieb Alfred Lichtwark, der souveräne und vorausschauende Gründungsdirektor der Hamburger Kunsthalle, wohlwollend interessiert über Bedeutung und Zukunft des wenige Jahre zuvor eröffneten Altonaer Museums:
Seine Meinung über die seinerzeitige Menschheit soll uns heute nicht interessieren.
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