Bühne stellt eine Moränenkuppe mit windverblasener Kleineiche dar, flauer Himmel mit ausreißenden Wolkenfetzen drüber. Aus der Ferne Marschmusik und Sirenen.
JENS CORDS wendet seinen Spiegelreflex ans Publikum:
Bedenkig, gierig, eingekunnt,
kommt all ins Photo, tucketucke.
Der Mensch, ins Paßbild eingespunnt,
teilmächtig, haftig, voll,
entwickelt und fixiert mit Spucke,
darf doch, was er soll!
WOHLLEBEN von ungefähr hergelaufen, entrollt ein Photo der Meiendorfer Schweiz und demonstriert Echte Freiheit:
Das war immer so,
und das bleibt auch so,
sei doch froh!
Es ist kein Gemüt
so abgebrüht,
es rupft doch wohl selber
wie Lämmchen und Kälber,
was grünt und blüht.
er schwenkt eine weiße Fahne
Die Luft geht um Zweige und Haar,
Gefiedertes nistet sich ein.
Vielförmige Wolkenschar
schmiert Schatten auf Sand und Stein.
Ein feindlicher Kampfverband
im Anflug aufs letzte Verhau
träumt Wölkchen ins Himmelsblau:
Die Flak hat ihr Ziel erkannt.
Da splittern Gesträuch und Kraut
um Menschen, Wind und Getier.
Die Landschaft dünt abgeflaut,
der Horizont endet hier.
JENS CORDS markiert die Panzerspuren im Photo mit Meiendorfer Pfeilspitzen:
Verdämmt, die Landschaft hieroglypht
zermergelt, lehm- und lössig.
Der Plumpsack geht rum,
elektronisch geprüft
und finster zeitgenössig:
Wiedebumm.
Hier rostet Kraut und welkt der Stahl
gangränig und zerfließlich,
und drehst du dich um
nur ein einziges Mal,
zersetzt auch du dich schließlich:
Wiedebumm.
Und stark gefühlsecht bleckt den Blick
dein bleiverglastes Auge.
Da lachst du noch dumm
und erwägst, ob ein Strick
als dickes Ende tauge
Wiedebumm!
er zeichnet ein Schild ins Photo ein, schwarze Schrift auf Goldgrund:
MILITÄRISCHER
SICHERHEITSBEREICH
VORSICHT
SCHUSSWAFFENGEBRAUCH
|
mit Rot unterstreicht er die Wörter SICHERHEIT und SCHUSSWAFFEN.
WOHLLEBEN während es von oben wie schwere Tische über ferne Fußböden schurrt, leise Untermalung durch allseitiges Sirenengeheul:
Der Himmel endet blind im Knick,
nicht mehr unendlich endlich.
Da grins ich mich krumm:
Der verbogene Trick
bleibt schändlich unverständlich:
Wiedebumm.
KOHLENKLAU die schwarzbehütete Silhouette vorm inzwischen gelbbrandigen Himmel, kuckt hinter der Eiche vor:
Zusammenbruch und EVG
bringt Butter bei die Fische.
Hie Morgenthau, hie ERP
was recht ist, geht ins Portemonnaie
und reicht fürs Rechnerische.
Weil Deutscher Gruß und Deutscher Blick,
die kommen doch von Herzen!
Und mit dem Fünf-vom-Hundert-Trick
klappt Deutsche Treu wie Kattenfick
da bleibt nix auszumerzen.
Doch pst! der Böse Feind hört mit
und geht uns an die Gräten.
Behüt, daß ihm das Metz ausglitt
und tiefer ins Gesunde schnitt,
als daß wirs mögen täten!
WOHLLEBEN holt eine Streichholzschachtel mit Kohlenklaubild vor, reißt ein Streichholz an, bläst es wieder aus, als Kohlenklau*) sich zurückzieht.
LITTLE BOY STAN + FAT MAN OLLIE schweben an Fallschirmen hernieder und geben eine Probe ihres Talents:
So ein Knall so wunderschön,
so ein Tag so wunderjüngst
wie heute.
Sie werfen unsre Schatten für immer an die Theatersaal-Rückwand, die starr Spenglers Banner zeigt.
KOHLENKLAU aus dem Hintergrund:
STAN + OLLIE hopsen rum, Schlips und Dokumentenkoffer, pieksen sich gegenseitig in die Augen:
Wir spielen Soldat,
da fällt dir die Hand ab.
Verspielen den Staat,
da kocht dir die Wut hoch.
Gehts dir auf die Naht?
Ach mach doch n Abgang!
WOHLLEBEN in der Pessimismus begründenden Pose eines Great Artiste:
Wir hören von einem andern Blatt
das Wort für immermorgen:
Wer Soldaten hat,
braucht für den Schrott nicht zu sorgen.
KOHLENKLAU:
JENS CORDS plötzlich ganz Ernst im Herzfelde, montiert Laurel + Hardy ins Photo der Meiendorfer Schweiz:
Potz Friedrichstraße und Watts!
Wer soll wenns krätzt die Krätze krätzen,
wer weidet sich an einem grünen Rotz,
wer wird das Schwein zur Infanterie versetzen?
Potz Schäferhundclub und Schreber!
Wer wird allen Grind zu Grind vergrätzen,
mit Tesa dick verpappt und Alleskleber
dem BILD den ruhig-festen Tritt versetzen?
er rundet die Montage mit tausend Gartenzwergen ab.
WOHLLEBEN ziemlich viel leiser hinterher:
Potz Wehrsportgruppen und Grohnde!
Wer wird wen chemicalmäßig hetzen,
wer heult mit Laika nach dem Mann im Monde,
wer geht sein letztes Kettenhemd versetzen?
Potz Razzia und Hit-and-run!
Wer geht da hin, sein Messer wetzen?
Er schneidt schon besser, wird wohl wann
mit Gift und Galle uns die Luft versetzen.
KOHLENKLAU:
Potz Godesberg und Ahlen!
Wer ochst Geschichte aus den Fetzen?
Los! Get your hair cut! Wer glaubt den Normalen?
Die Zukunft wartet. Wer wird sie versetzen?
Einer von den eingeklebten Gartenzwergen nur einer von tausend, macht sich vom Uhu frei, stürzt zum Bühnenhintergrund, sprüht
mit schwarzem Farbspray drauf:
STAN LAUREL mit echt markiertem Weinen in der Stimme, wie der Radioansager bei Kriegsende:
Pest, du weiseste Sibylle!
Groß wie Tollkraut, Schierling, Mohn!
Unsre heimlichste Idylle
ziert enthäutet deinen Thron.
KOHLENKLAU ALS STIMME VON OBEN (ein fallender Blockbuster heult dazu):
JENS CORDS + WOHLLEBEN jetzt so einigermaßen einig, verlassen unter Absingen der dritten Strophe die Bühne:
Gottvertraun und Murks und Geilheit,
Blindnis, Tücke, Unverstand.
Die Zuschauer machen sich gegenseitig ihre Sandkuchen kaputt, nehmen ihre Förmchen und verschwinden.
Die Erstfassung mit dem Titel »Cordsüber, cordsunter« entstand für Jens Cordsens Rahlstedter Ausstellung »Schöne Landschaften holsteinischer Provinz« und wurde auf der Eröffnung am 7. April 1972 »zu Gehör gebracht«.
*) Die Streichholzschachtel auf Basis etwas unscharfer Kindheitserinnerung »nachgestaltet«. Die bedrohliche dunkle Silhouette des bösen Spions auch auf Plakaten zu sehn wurde bei uns in der Familie spöttisch als Kohlenklau bezeichnet
bei dem es sich nun aber um ganz was andres handelte.
|