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ZaunköniG

(264.htm im Sonett-Salon)
141.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 19 Juni, 2002 um 17:02:22

    Nebelnester (1)

    Treu ist die Trauer und ohne Verlangen,
    als wollte sie mich in ein Nebelnest betten.
    Wer sonst kann mir heute die Sorgenstirn glätten?
    Nur meine eigene Hand streicht die Wangen.

    Erinnerung brennt mir noch auf meiner Lippe,
    doch sah’st du mich nie in der Not, wenn ich weinte.
    Es wäscht sich schon fort, was uns gestern noch einte.
    Ich fühl wie im Schlaf die verlorene Rippe.

    Ein Teil von mir ist mit dir von mir gegangen.
    Ich seh, wie wir beide zu Masken erstarren,
    kein Anlaß noch Grund, dieses Spiel anzufangen.

    Mein Wunsch muß auch weiter der Fleischwerdung harren,
    doch treu ist die Trauer und ohne Verlangen.
    Nur sie kennt mich gut, hält mich niemals zum Narren.

(266.htm im Sonett-Salon)
159.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 27 Juli, 2002 um 18:29:37

    Der Fluch der Sirene

    Bemüh’ dich nicht für dich alleine zu singen,
    du ahnst nicht zu wem du dein Liebeslied trägst,
    welchem Herz du Rhythmus , den Lebenstakt schlägst;
    doch der selbe Wind wird dir einst Nachrichten bringen.

    Und während du noch die Bedeutungen wägst
    zagt die Stimme, erstickt jäh dein selbstlautes Klingen,
    doch kannst seine Wirkung nie wieder bezwingen,
    da du jeder Welle ihr Klangmuster prägst

    bis sie irgendwo auf jemand Fühlenden stößt.
    Wen der Ton trifft, der hebt keine Stimme dagegen;
    zerflossen sein Wille, dem du eingeflößt

    den Gesang und in Trance schwimmt er dir leicht entgegen.
    Du betest, daß sich keine Silbe mehr löst,
    aber stumm wirst du dennoch die Lippen bewegen.

169.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 17 August, 2002 um 16:56:39

    Einem orthodoxen Sonettisten

    Der Fünfheber Jambus ist dir erste Sahne,
    doch fürcht ich, dir mangelt’s am rechten Behufe.
    Das Dichterwerk wird nicht zum echten Berufe,
    schreibst du dir ein einzelnes Maß auf die Fahne.
    Du stehst mit nur einem Maß auf schmalem Kufe.
    Dies sei dir ein Beispiel, daß dir einmal schwane,
    was möglich ist, dir neue Freiheiten bahne:
    Der Daktylus ist doch die Doppelrahmstufe!
    Du trägst deinen Jambus (und willst mir noch spotten),
    doch wie einen alten, verschlissenen Frack
    und flickschusterst nur an den alten Klamotten.
    Vielleicht kommst auch du einmal auf den Geschmack
    und lernst einen anderen Vers, einen flotten;
    Ein anderer Takt bringt dich wieder auf Zack.

189.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 13 September, 2002 um 12:47:04

    Adam, wo bist du?
    Zu einer Skulptur von Hilko Schmerus

    O Adam, im offenen Mund steckt die Klage,
    gerichtet ins Nirgends, nach außen und innen.
    Kein Ziel; nur Vergangenheit liegt in den Sinnen.
    Du stellst dich und beugst dich der uralten Frage
    nach Sühne der Schulden – und wie man sie trage.
    Sie leugnen, das hieße sich selbst zu entrinnen,
    doch wie kann man nach einer Schuld noch beginnen?
    Und fügst dich in deine vermeintliche Lage.
    Die Sünde ward dir zur alleinigen Achsen;
    ein Wort, das dich täglich und nächtlich bestürmt,
    deine Seele zur Tilgung der Schuld zu beleihen.
    Bist in deine Last allzu fest eingewachsen,
    auf die sich zur Schuld deine Ohnmacht getürmt.
    O Adam – nun nimm endlich an mein Verzeihen!

206.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 08 Oktober, 2002 um 18:00:33

    Geborgenheiten

    Wie man sich manchmal gern von eines Feuers roten
    Flammenschein das kalte Herz erwärmen läßt
    und träumend sich versenkt ins prasselnde Geäst,
    so sah ich auch in deine Augen, als sie lohten.

    Und wie man sich an kalte Regenscheiben preßt,
    um einen neuen Sommertag früh auszuloten,
    hab ich mein Lächeln gerne wieder angeboten,
    und ein Umarmen, wenn die Trauer dich durchnäßt.

    Was tue ich, seh ich dein Auge sich betauen?
    Ich will mein Schicksal nicht nur so geschehen lassen.
    Du könntest, würdest du mir in die Augen schauen

    auch Halt in meinen Händen sehn, den allzu blassen.
    Und magst du meiner schwachen Hand auch nicht weit trauen;
    Nur keine Scheu – Du darfst mch gerne ganz umfassen.

213.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 30 Oktober, 2002 um 19:58:43
Vor einigen Wochen habe ich mit Nachdichtungen begonnen und nun, da der erste Schwung fertig ist, dachte ich, klopf ich doch mal auf den
Busch, was die Experten dazu sagen.

    Not in Vain
    von Hartley Coleridge
    1796 – 1849 in England

    Let me not deem that I was made in vain,
    Or that my being was an accident
    Which Fate, in working its sublime intent,
    Not wished to be, to hinder would not deign.

    Each drop uncounted in a storm of rain
    Hath its own mission, and is duly sent
    To its own leaf or blade, not idly spent
    ’Mid myriad dimples on the shipless main.

    The very shadow of an insect’s wing,
    For which the violet cared not while it stayed
    Yet felt the lighter for its vanishing,
    Proved that the sun was shining by its shade.
    Then can a drop of the eternal spring,
    Shadow of living lights, in vain be made?

    Nachdichtung von ZaunköniG

    Nicht vergebens

    Laß mich nicht glauben, daß ich Zufall sei,
    daß meine Schöpfung nichtig und vergebens.
    Das Schicksal, Ziel gewissenhaften Webens
    kann nicht umsonst sein, noch ist’s einerlei.

    Kein Regentropfen fällt umsonst herbei,
    er hat den Zweck im Spenden neuen Lebens
    im Blattwerk schließt er seinen Kreis des Gebens
    und hält sein Fallen doch für leicht und frei.

    Der Schatten des Insektenflügels kreist
    farbschillernd und beweist erhabnes Sein,
    so wie der Schatten auch das Licht beweist.

    Und ist mein Teil der Ewigkeit auch klein;
    Kann Schatten, der sich aus dem Lichte speist,
    denn jemals unnütz und vergebens sein?

249.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 04 Januar, 2003 um 01:22:17

    Der Fluch der Sirene II

    Erinnerung, Träume: Sie riechen wie Muscheln und Schwämme;
    Zu steil und zu schwerfällig rollen sie auf aus den Tiefen
    und Wellen auf Wellen, die sich aufeinander beriefen
    Erheben sich sterblos und brechen am Ufer die Kämme.

    Sie folgen dem Sang der Sirene. Wie lang sie auch schliefen;
    Es gilt die Beschwörung, hypnotisch lockt sie ihre Stimme.
    Es ist nicht die Absicht, daß ich mit den Fluten verschwimme;
    Nicht abzuseh’n wie viele Stimmen sie umgekehrt riefen.

    Ich find’ was ich brauche: Man braucht nicht zu viel um zu warten.
    Die Bucht meine Bettstatt, Die Klippe ein harter Alkoven.
    Die Flucht ist ein Fluch; was ich such’ ist Fiktion für die Fahrten.

    Ihr Lied wird das meine, ich sing jede Nacht meine Strophen
    von Ahnung und Abschied und ruf ihr noch nach: Bitte Wende!
    Die Verse verhallen, leis echo’n die Felsen blos
    Ende.

285.html
Mickiewicz-Nachdichtung
Abgeschickt von ZaunköniG am 09 Februar, 2003 um 11:01:40

    II – Cisza morska

    Na wysokości Tarkankut

    Już wstążkę pawilonu wiatr zaledwie muśnie,
    Cichymi gra piersiami rozjaśniona woda;
    Jak marząca o szczęściu narzeczona młoda
    Zbudzi się, aby westchnąć, i wnet znowu uśnie.

    Żagle, na kształt chorągwi gdy wojnę skończono,
    Drzemią na masztach nagich; okręt lekkim ruchem
    Kołysa się, jak gdyby przykuty łańcuchem;
    Majtek wytchnął, podróżne rozśmiało się grono.

    O morze! pośród twoich wesołych żyjątek
    Jest polip, co śpi na dnie, gdy się niebo chmurzy,
    A na ciszę długimi wywija ramiony.

    O myśli! w twojej głębi jest hydra pamiątek,
    Co śpi wpośród złych losów i namiętnej burzy;
    A gdy serce spokojne, zatapia w nim szpony.


    II. Ruhige See

    Von der Anhöhe bei Tarkankut

    Die Fahne hängt vorm Werder, reglos, ohne Kraft;
    Ein lichter Wellenschlag wie’n leichter Atemzug,
    der sanfter Bräute Liebesträume mit sich trug,
    der in der Brust kurz aufseufzt und erneut erschlafft.
    Die Segel, kampferfahren hängen schwer am Schaft,
    gerafft. Beinahe unbemerkt wiegt sich der Bug,
    der rhythmisch an die schwere Ankerkette schlug,
    und die Matrosen atmen auf; Es ist geschafft!
    Die See: Dicht unter ihrer blanken Spiegelfläche
    hausen Ungeheuer, grause Riesenkraken,
    die kein Gewittersturm aus ihren Träumen reißt!
    Die Hydra der Gedanken zeigt dir deine Schwäche.
    Und glättet heut die See ihr reines, weites Laken;
    Du weißt, das dieses Tier um jede Wunde weiß.

302.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 26 Februar, 2003 um 17:19:51

    Der verkannte Poet

    Versteinert steht er vor dem Buchregal;
    »Soll das ein Buch sein? Nur aus Schall und Rauch?
    Von Dichtung kennt der nicht den leisen Hauch!«
    Die Galle schäumt ihm über, »schlecht und schal«

    und faustdick ballt sich Wut in seinem Bauch.
    Besudelt scheint die Kunst, der reine Gral.
    Was not tut ist Kritik: Ein Tribunal!
    »Was der für’n Mist verbockt, das kann ich auch!«

    Das stimmt soweit, nur leider auch nicht besser;
    Er giftet gleich drauf los als Humorist,
    zerreist den Feind als Spätavantgardist.

    In seiner Stimme bricht sich scharf das Messer.
    Satire nennt er, was Verwünschung ist,
    doch bleibt im Recht: Er schreibt genau so’n Mist.

687.html
Abgeschickt von ZaunköniG am 31 Januar, 2004 um 19:24:59
Und nach dem großen Gequengel, mal wieder etwas Literatur im Sprechsaal.

Ich biete heute Auszüge aus dem Sonettenkranz »Perseus und Medusa«:

    V.

    Steinig harte Blicke, kalte Wangen;
    Am Ergebnis ist die Tat zu wiegen.
    Da hat sich wer zu größerem verstiegen,
    die eigne Tugend zu hoch aufgehangen.

    Voll Zuversicht, und mutig vorgegangen
    kam er vor dem Postament zu liegen.
    Was zwischen ihnen vorfiel, bleibt verschwiegen.
    Und wie sie unsern Künstlern nie gelangen

    erstehn im Katastrophen-Panorama
    Bilder. Noch ein Schritt, – Ein Stein erzählt Geschichten:
    In jeder Fuge scheint sie anzufangen, –

    Jede Kante will die Tat vernichten:
    So fügt sich sicher Strang für Strang zum Drama.
    Man hat sich aneinander schwer vergangen.


    VI.

    Man hat sich aneinander schwer vergangen; –
    Man gibt einander Recht: ein Gleichgesinnter
    wiegt mehr als ein Argument und hinter
    guter Absicht, Konsens und dem langen

    Marsch hockt Angst beizeiten abgefangen
    sein zu können. – Früh genug faßt Winter
    dir ins Blut, das stockt, und Kieselsinter
    wächst, wo Lösung war. Dort angefangen

    wo ein Ziel geglaubt war, wächst nur Totes.
    Fühlung wird ersehnt, – und Reaktionen,
    doch am andern Ende deines Lotes

    beißt dir wer den Faden ab. Stationen: –
    Du erinnerst, all dir angedrohtes;
    Viele nährten ihre Illusionen.


    IX.

    Viele glaubten, daß sie sie bezwangen,
    als Held gefeiert schon und aufgewiegelt,
    daß man der Bestie Tür und Tor verriegelt;
    Tötet sie! Daß sie sie niederrangen,

    war beschlossen. Ewig sei versiegelt
    Ihr Blick, der schon so viele eingefangen.
    Ihr Haupt, um das sich wilde Locken schlangen
    abgeschlagen, Doch – : ihr Auge spiegelt.

    Da hat sich jedem Herz und Hand versteift
    und sie erstarrten, als ihr Blick sie streift;
    Sie sah’n den Haß, der ihr entgegenschlägt.

    Kein Wort mehr, irgendwas und -wen zu rächen;
    Nur wenn’s ein Windhauch ihm entgegenträgt,
    hört er vielleicht ein kaltes Steinherz brechen.

 

Rechte bei ZaunköniG