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Sonette, Sonette, Sonette

Die Kassette stellt vier mal zwölf Sonette vor, die bereits als Meiendorfer Drucke 13, 15, 16 und 17 erschienen sind, Richard Klaus: Eisprung I. Gedichte aus der Lauge, Dieter Volkmann: Fünfzehn Maurerische Sonette für einen Holzschneider, Robert Wohlleben: Der grinsende Vater, Richard Klaus: Eisprung II. Zwei Autoren lesen – mit hervorragender Artikulation und genauester Konzentration auf den Text – ihre Gedichte selbst; Untermalung findet nicht statt, nur einige Nebengeräusche schaffen eine gespannte Leseatmosphäre; das gedichtete Wort selbst wirkt, – und das ist gut, denn die Sonette sind sprachlich und formal streng ausgearbeitet. Dabei beweisen sie, daß im Jahre 1990 das Sonett keine obsolete Gedichtform ist: daß es, wie je, für die allegorische Durchforschung von Daseinsfragen wie als Schöpfungsakt bildstarker Poesiewelten und (literarisch-künstlerische) Selbstreflexion seine Berechtigung hat: aber auch deftige Expressivität bleibt nicht außen vor.

Gerade »Alltags«-stoffen gibt die Sonettform ganz neue Dimensionen, wie v. a. Robert Wohllebens Gedichte beweisen. Ist das wirklich unsere Welt? fragt man sich etwa angesichts des wie selbstverständlich eingestreuten Vertrauten, und muß sich sagen: Ja, das ist sie, aber so, wie die Symbolisten sie sehen würden. Dichter: der uns dank der Tiefenschärfe seiner sensibel versprachlichten Wahrnehmung zeigt, was wir in der Welt verloren haben, »… Auch Kaffee noch? Ganz schwarz, mit reichlich Zucker? Dann schweigen, uns ums Spiegelbild bestehlen. Ich leg ›Durango‹ auf, das hörst du gern.

Wir spürens schwelen: nichts für Feuerschlucker. Wir haben viel zuviele Parallelen – da liegt Berührung wohl unendlich fern.« (Robert Wohlleben)

Markus R. Weber

Passagen (Mannheim), Nr. 10, 1990