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Georg Stolzenberg
(1857 bis 1941)

Georg Stolzenberg


Georg Stolzenberg, 1857 in Berlin geboren als Sohn des Gründers und Obermeisters der Bäckerinnung »Germania«, war Klavierlehrer und Komponist. Mit seinen drei Gedichtheften Neues Leben kann er als fleißigster Lyriker unter den »Holz-Schülern« gelten. Neuberts Deutsches Zeitgenossenlexikon vermerkt als die »früheren mit Beifall aufgeführten Werke« des Komponisten: »eine Symphonie, mehrere Ouvertüren, Quartette und das Klavierwerk ›Heitere Musik‹«.

Georg Stolzenberg: Serenade, Op.6
Serenade, Op.6
I. Allegro
II. Scherzo: Lustig und ausgelassen
III. Etwas langsam und schmachtend
IV. Finale: Allegro
Leipzig: Breitkopf & Härtel o. J. (ca.1888)

Mit seinen Gedichtvertonungen, Neue Dichter in Tönen (1902) beschränkte er sich keineswegs auf Arno Holz, sondern griff – etwa mit Richard Dehmel, Alfred Mombert und Max Dauthendey – auch andre Lyriker der Zeit auf. Ferner vertonte er »Volkslieder, Legenden und Liturgiegesänge«, schrieb auch Musikkritiken für die Welt am Montag. 1937 ließ das von Max Wagner (1879 bis 1949), Holzens »Eckermann«, gegründete Arno-Holz-Archiv zu Stolzenbergs Achtzigstem die 184-seitige Sammlung Garbenscheuer. Gedichte im Tonfall des Lebens erscheinen. [1] Darin zumeist Gedichte aus Neues Leben, mal mehr, mal weniger in der Technik der Phantasus-Großfassungen ausgebaut.

In den parallel dazu erschienenen »Gedenkblättern« Arno Holz und ich [2] erzählt Stolzenberg: Zur Ergänzung der Gesangsausbildung nahm Robert Reß Anfang der neunziger Jahre Klavierunterricht bei ihm und begeisterte ihn – »unliebsamerweise gerade in meinen Unterrichtsstunden« – für das Buch der Zeit von Arno Holz. Das muß vor 1893 gewesen sein, danach zu schließen, wie Reß mit Otto Julius Bierbaums anscheinend gerade erschienenem Modernem Musenalmanach auf das Jahr 1893 [3], mit frühen Phantasus-Gedichten darin, zu Stolzenberg »gestürmt« kam. Reß vermittelte die Begegnung mit Arno Holz:

    Reß machte ihn auf mich, den schon damals neuzeitlichen Gedichtvertoner, neugierung. Er besuchte mich, bescheidentlich als der Jüngere den Älteren zuerst, in meinem Gartenheim gegenüber dem indischen Elefantentor zum Zoo.

Stolzenbergs Adresse: Berlin W, Rankestraße 30.

    Mein Gegenbesuch in Wilmersdorf zeigte ihn mir in traut kleinbürgerlicher Wohnung, an der Seite einer blühendstattlichen, klugen Ehefrau und eines zartzieren Erstlingsbübchens; zuträglich weltentrückt, friedlich und zufrieden.

Die Wohnung im Haus Gravelottestraße 41, heute Fasanenstraße 65, in die Holz im Frühjahr 1894 gezogen war, [4] das Kind der Sohn Werner, geboren am 2. 3. 1894.

Es muß 1897 gewesen sein, daß Holz die ihm von Stolzenberg vorgelegten »gesamten Handschriftchen meiner ersten Gedichte in ›Natürlichen Rhythmen‹« durchsah und fünfzig davon zusammenordnete:

    »Fünfzig Gedichte meines ›Phantasus‹ geb ich jetzt heraus. Und Sie die gleiche Zahl Ihres … Titel her … na? Wissen Sie keinen?« Selig vor den Kopf geschlagen stammele ich Kraut und Rüben; darunter, daß mit diesen Neuform-Ergüssen für mich ein neues Leben begann. »Da ist ja schon einer«, lacht er, »Neues Leben!«

Für die Verzierung von Stolzenbergs drei Heften Neues Leben stellte Arno Holz eine Vignette aus seiner Sammlung von Schriftschmuckstücken zur Verfügung: ein »Glückhaftes Schiff«.

Im Oktober 1898 brachte Die Zeit, in Wien erscheinende Wochenzeitung, den Artikel Impressionistische Lyrik von Franz Servaes. [5] An Hand des ersten Hefts Neues Leben befand der Autor, nicht unvertraut mit dem Kreis um Arno Holz, über Stolzenberg:

    Er strudelt, wie’s scheint, seine Sachen so hin, hat mitunter köstliche Einfälle voll bunter Naivetät, verhaut sich aber auch gerne, daß der Wald nur so kracht. Er gehört deswegen von rechtswegen zur Gruppe, weil er seinem ganzen Naturell nach der geborene Impressionist ist, von impulsivem, rasch-verzücktem Wesen, und dabei so kreuzbrav! Von dem durchgebildeten Formeninstinct eines Arno Holz hat er keine Ahnung. Er steht darum der eigentlichen Kunst umso ferner, als er der Unmittelbarkeit näher ist. Gerade Wirklichkeitsstimmungen gelingen ihm am besten, etwa wie die Sonne den Schläfer wachküsst, oder wie in der Dämmerung das Grauen schleicht. Seine phantastischen Einfälle sind ungeklärt und confus. Stilistisch ist er von Arno Holz total abhängig.

Albert Soergel ging in Dichtung und Dichter der Zeit (1911), seiner »Schilderung der deutschen Literatur der letzten Jahrzehnte«, recht abständig mit der Lyrik des Regiments Sassenbach um. Über viele Seiten – eingeschlossen ganzseitiges Porträtphoto von Arno Holz, zwei Seiten Faksimiles der Gedichtveröffentlichung in der Jugend vom Januar 1898 und Ernst Liebermanns ganzseitige Zeichnung zu Holzens Gedicht Rote Dächer – befaßt er sich dort mit der Holzschen Theorie der »letzten Einfachheit« und »möglichsten Natürlichkeit«. Er sperrt sich aber – »Nachfolger und Nachahmer« als Stichwort in der Randspalte – gegen die Gedichte der »Schule«: »sie scheiterte an der Klippe der Trivialität und wirkte unfreiwillig auch mal komisch.« In Maßen gelten läßt er nur Georg Stolzenberg, »der ein feiner Naturschilderer ist und manche Kindermärchenstimmung trifft.« [6]

Auch Hans Benzmann scheint beeindruckt gewesen zu sein: Seine recht verbreitete Anthologie Moderne Deutsche Lyrik von 1904 [7] enthält sieben Gedichte von Arno Holz, drei von Robert Reß und neun von Georg Stolzenberg.

Robert Wohlleben

Fünf Abende in der Sezession 1919/20

Stolzenbergs Vertonung
des Gedichts
»Über die Welt hin«
von Arno Holz

(PDF 2,4 MB)


1] Georg Stolzenberg: Garbenscheuer. Gedichte im Tonfall des Lebens. Berlin-Friedenau: Arno-Holz-Archiv 1937.
2] Georg Stolzenberg: Arno Holz und ich. Gedenkblätter. Berlin-Friedenau: Arno-Holz-Archiv 1937.
3] Otto Julius Bierbaum (Hg.): Moderner Musen-Almanach auf das Jahr 1893. Ein Sammelbuch deutscher Kunst. München: E. Albert & Co. [1893].
4] S. Die Berliner Adressen von Arno Holz.
5] Franz Servaes: Impressionistische Lyrik. In: Die Zeit (Wien), 17. Bd., Nr. 212, 22. 10. 1898, S. 54-57.
6] Albert Soergel: Dichtung und Dichter der Zeit. Eine Schilderung der deutschen Literatur der letzten Jahrzehnte. Leipzig: R. Voigtländer 1911, S. 536-547.
7] Hans Benzmann: Moderne Deutsche Lyrik. Leipzig: Reclam 1904.

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