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James Fenimore Cooper:
Die Monikins. 19. Kapitel


Über die Demut berufsmäßig Frommer, eine Reihung von Schwänzen, eine Braut und einen Bräutigam sowie andere himmlische Angelegenheiten — Diplomatie eingeschlossen

Diplomaten


(Auszug)


Der König und die Königin entließen uns bald darauf. Noah und ich gelangten ohne Beschädigung unserer Anhängsel durch das Gedränge und trennten uns im Palasthof – er um zu Bett zu gehen und von seiner morgigen Verhandlung zu träumen, und ich, um mit Richter Volksfreund und dem Brigadier heimzugehen, die mich eingeladen hatten, den Abend mit einem Abendessen zu beschließen. Ich fand mich schließlich im Gespräch mit letzterem, während sich ersterer in sein Gemach begab, um über die Ereignisse des Abends eine Depesche an seine Regierung abzufassen.

Der Brigadier war ziemlich sarkastisch in seinen Bemerkungen zu den Vorkommnissen im Audienzsaal. Als Republikaner, der er war, war ihm eindeutig daran gelegen, hin und wieder gegen das königliche Geblüt und den Adel zu sticheln. Um diesem ehrenwerten und aufrechten Monikin gegenüber gerecht zu bleiben, muß ich allerdings feststellen, daß er weit über der vulgären Feindseligkeit stand, die viele seiner Klasse doch gern auszeichnet und die auf einem Prinzip basiert, das ebenso schlicht war wie der Umstand, daß sie nicht selbst Könige und Edelleute sein können.

Wie wir uns so angenehm unterhielten, ganz entspannt und sozusagen in Hauskleidung, der Brigadier mit seinem Stummel und ich mit abgelegtem Schwanz, kehrte Richter Volksfreund wieder zu uns zurück, seine Depesche offen in der Hand. Er verlas laut, was er geschrieben hatte, worüber ich höchst erstaunt war, denn ich war es gewohnt, diplomatischen Nachrichtenverkehr für streng vertraulich anzusehen. Der Richter bemerkte jedoch, daß es in diesem Fall nutzlos sei, sich um den Anschein von Geheimhaltung zu bemühen, und zwar aus zwei sehr guten Gründen: Erstens weil er gezwungen gewesen sei, einen gewöhnlichen Oberhupfer Schreiber heranzuziehen, das abzuschreiben, was er geschrieben habe – seine Regierung beherzige nämlich eine edle republikanische Sparsamkeit, die sie lehre, daß sie im Falle von Schwierigkeiten infolge Verrats ihres Schriftverkehrs immer noch im Besitz des Geldes sei, das ein Beamter kosten würde, um ihr aus der Verlegenheit zu helfen –, und zweitens weil er wisse, daß seine Regierung die Depesche in Druck geben werde, sobald sie eintreffe. Er für sein Teil genieße die Veröffentlichung seiner Werke. Unter diesen Umständen war mir sogar gestattet, Abschrift des Briefes zu nehmen, die ich nunmehr getreulich wiedergebe.

 

Sir,

der Endesunterzeichnete, Sondergesandter und Bevollmächtigter Minister der Konföderierten Union von Nordwest-Niederhupf, hat die Ehre, den Herrn Außenminister davon in Kenntnis zu setzen, daß es um unsere Interessen in diesem Weltteil im großen und ganzen aufs Bestmögliche bestellt ist. Der Ruf unserer Nation gewinnt tagtäglich mehr und mehr Bedeutung, unsere Rechte werden mehr und mehr respektiert, und mehr und mehr Schiffe unter unserer Flagge befahren alle Meere. Nach diesem schmeichelhaften und rühmlichen Bericht zum Stand unserer allgemeinen Belange beeile ich mich, die folgenden wichtigen Einzelheiten mitzuteilen.

Der zwischen unserer teuren Konföderierten Nordwest-Union und Oberhupf geschlossene Staatsvertrag wurde in keinem seiner Artikel eingehalten. Neunzehn Niederhupfer Seeleute wurden mit Gewalt zum Dienst auf einem Durchhupfer Kriegsschiff gepreßt. Der König von Aufhupf hat mit einer sehr unanständigen Körperpartie eine gegen uns gerichtete demonstrative Geste vollführt, und der König von Überhupf hat sieben unserer Schiffe mit Beschlag belegen und verkaufen, das Geld dann seiner Maitresse zugehen lassen.

Sir, ich gratuliere Ihnen zu diesem sehr schmeichelhaften Stand unserer auswärtigen Beziehungen, der sich einzig der herrlichen Verfassung zuschreiben läßt, der wir alle dienen, sowie der berechtigten Ehrfurcht, die der Name Niederhupf so weltumfassend bei anderen Nationen geweckt hat.

Der König hielt soeben Audienz, während derer ich große Sorge trug, daß die Ehre unseres geliebten Landes gewissenhaft geachtet wurde. Meine Cauda war mindestens drei Zoll länger als die des Repräsentanten von Aufhupf, des von Mutter Natur in diesem besonderen Punkt am meisten begünstigten Ministers, und ich freue mich, hinzufügen zu können, daß Ihre Majestät die Königin geruht hatte, mir ein sehr gnädiges Lächeln zu schenken. Über die Ernsthaftigkeit dieses Lächelns kann nicht der geringste Zweifel bestehen, Sir. Denn wenn auch im Überfluß Hinweise vorliegen, daß sie erst kürzlich unser teures Land mit gewissen unschönen Ausdrücken belegt hat, würde es doch gänzlich die Regeln diplomatischer Höflichkeit sprengen und wäre von keinerlei Beweis gestützt, wenn wir ihre königliche Ernsthaftigkeit bei dieser öffentlichen Gelegenheit in Frage zögen. In der Tat, Sir, habe ich in der letzten Zeit bei allen Audienzen mehrfach ein höchst ernstgemeintes und ermutigendes Lächeln geerntet, nicht nur vom König, sondern auch von allen seinen Ministern, insbesondere seinem ältesten Cousin, und ich hoffe, daß dies sich höchst günstig auf die zwischen dem Königreich Oberhupf und unserem teuren Land zur Debatte stehenden Fragen auswirkt. Wenn man uns jetzt nur Gerechtigkeit widerfahren ließe in der hochwichtigen Angelegenheit der lange anstehenden und lange hintangesetzten Wiedergutmachung, die wir in den letzten zweiundsiebzig Jahren vergebens von ihnen zu erlangen gesucht haben, würde ich sagen, daß es mit unseren Beziehungen auf das Bestmögliche bestellt ist.

Sir, ich gratuliere Ihnen zu dem hohen Respekt, der dem Namen Niederhupf in den allerentlegensten Weltgegenden entgegengebracht wird, und zum guten Einfluß, den dieser glückliche Umstand auf all unsere bedeutenden Interessen haben dürfte.

Die Wahrscheinlichkeit, das Ziel meiner besonderen Mission zu erreichen, erscheint mir nur gering, doch ist die Ernsthaftigkeit des Lächelns des Königs und der Königin sowie der ganzen königlichen Familie als größte Ehre zu werten.

Als ich mich kürzlich mit Seiner Majestät unterhielt, erkundigte er sich in freundlichster Weise nach der Gesundheit des Großen Sachem [das ist der Titel des Oberhauptes der Niederhupfer Regierung] und bemerkte, daß unser Wachstum und unsere Prosperität alle anderen Nationen beschämten und daß wir uns bei jeder Gelegenheit auf seinen tiefempfundenen Respekt und seine ewigwährende Freundschaft verlassen könnten. Kurz gesagt, Sir, wünschen alle Nationen nah und fern die Allianz mit uns, sind bestrebt, neue Handelsmöglichkeiten zu erschließen, und hegen für uns tiefstempfundenen Respekt und unverbrüchlichste Wertschätzung. Sie können dem Großen Sachem ausrichten, daß diese Stimmung in seiner Regierungszeit in überraschendem Ausmaß zugenommen und sich während meiner Mission zumindest vervierfacht hat. Wenn nur Oberhupf seine Verträge einhielte, Durchhupf damit aufhörte, unsere Seeleute zu pressen, Aufhupf mehr Achtung vor den Sitten der gehobenen Gesellschaft hätte und der König von Überhupf keins unserer Schiffe mehr beschlagnahmte, um seine Mätresse mit Nadelgeld auszustatten, könnten unsere auswärtigen Beziehungen als makellos gelten. Wie es aussieht, Sir, sind sie in weit besserem Zustand, als ich hätte erwarten können oder tatsächlich je gehofft hatte, sie anzutreffen. Einer Sache können Sie also in diplomatischer Hinsicht gewiß sein: Wir werden weltweit respektiert, und niemals wird der Name Niederhupf erwähnt, ohne daß alle geschlossen aufstehen und die Caudæ schwenken.

(Gezeichnet) Judas Volksfreund
Ehrenw. – –, &c.

P. S. [Privat.]

Werter Herr!

Wenn Sie die Depesche veröffentlichen, so lassen Sie bitte die Passage aus, in der die Schwierigkeiten wiederholt werden. Ich bitte Sie, dafür zu sorgen, daß mein Name – entgegen der periodischen Rotation des kleinen Glücksrades – zu denen der anderen Patrioten gesetzt wird, da ich wegen des Aufgebrauchs all meiner Mittel gewiß gezwungen sein werde, bald heimzukehren. In der Tat sind die Schwanzunterhaltungskosten, von denen bei uns niemand eine Vorstellung hat, derart hoch, daß ich meine, keine unserer Missionen sollte länger als eine Woche dauern. Insbesondere rate ich an, daß sich die Meldung ausführlich mit dem Thema der großen Geltung des niederhupfschen Rufes im Ausland beschäftigt, denn, um Ihnen gegenüber offen zu sein, die Tatsachen erfordern, daß diese Erklärung so oft wie möglich abgegeben werden sollte.

Cooper’s version

James Fenimore Cooper:
Die Monikins. Eine Mär
Übersetzt von Robert Wohlleben
Herausgegeben und per Nachwort kommentiert
von Christian Huck

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