James Fenimore Cooper: Die Monikins — Zusammenfassung

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James Fenimore Cooper:
The Monikins (1835)

James Fenimore Cooper

… die utopischen, grandios=witzigen »Monikins«
Arno Schmidt (Siebzehn sind zuviel!)

Cooper legt die Erzählung dem 1796 geborenen Engländer John Goldencalf in den Mund.

Goldencalf rekapituliert zunächst, wie sein Vater, ein Findelkind, den Ziehvater beerbt und dann durch rücksichtsloses Spekulieren zu ungeheurem Reichtum gelangt. Er beschreibt sodann seine im Haus eines Geistlichen, eines Landadligen, verbrachte Jugend. Die sich dort entspinnende Liebe zwischen dessen Tochter Anna und ihm scheint ohne Zukunft, weil sein zweifelhaftes Herkommen eine Verbindung verbietet.

Goldencalf erbt das gewaltige Vermögen, will es aber – anders als sein Vater – »sozialverträglich« einsetzen. Seine wortreich entwickelte »social stake theory« ist auf hehre, weltumspannende Ziele ausgerichtet. Eine Sequenz von Geschäftsbriefen läßt allerdings die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis seines Globalisierungsbemühens deutlich werden … der Satiriker Cooper hatte offensichtlich Spaß daran.

Goldencalf und Poke in Paris1819 führt eine philanthropische Inspektionsreise den »Global Player« Goldencalf nach Paris, wo ihn ein anscheinend abweisender Brief seiner geliebten Anna in tiefste Verzweiflung stürzt. In diesem Zustand begegnet er Captain Noah Poke aus Stonington, Connecticut, der sich nach Schiffbruch an der sibirischen Küste auf dem Landweg nach Frankreich durchgeschlagen hatte. Auf dem Weg zum Hotel kauft Goldencalf savoyardischen Schaustellern drei Affen ab, weil ihm die Kreaturen mißbraucht vorkommen.

Es zeigt sich, daß die Affen Angehörige der hochstehenden Monikins-Kultur sind, die sich in einer warmen Antarktis-Region entwickelt hat.*) Goldencalf beschließt ihre Rückführung, heuert Capt. Poke an und rüstet ein Schiff aus, die »Walrus«. Auf der Reise erweist sich Capt. Poke als höchst erfahrener Navigator ohne Bedarf an Karten und Sextanten, weil ihm für Peilung und Besteck die Nase genügt. Tierkostüme für die menschliche Besatzung haben den Sinn, das Anstandsgefühl der an Kleidungslosigkeit gewöhnten Monikins nicht zu verletzen. Poke manövriert das Schiff gewagt durch die Eisbarriere:

 

There was but a minute or two, for squaring the yards and obtaining the proper position to windward of the narrow strait. Instead of running down in a direct line for the latter, Captain Poke kept the ship on such a course as to lay it well open, before her head was pointed towards the passage.

Vorübergehend von Packeis eingeschlossen, wird das Schiff durch eine sehr neuartige Zwingenkonstruktion vorm Zerdrücktwerden bewahrt.

Die Welt der Monikins verdankt ihre klimatische Bevorzugung dem Dampf, der nahe dem Südpol dem Erdinnern entströmt. Die Reisenden lernen das monarchisch regierte Land Leaphigh und das republikanische Leaplow kennen. Die bitteren Erfahrungen, die sie dort machen müssen – in Leaphigh kann Capt. Poke nur in letzter Sekunde vor Enthauptung bewahrt werden –, sind bissige Satire auf Verlogenheiten, Egoismen, Denkzwänge, Chauvinismus, Kastendenken hier, blinde Gleichmacherei dort, Geltungs- und Gewinnsucht überall, Boshaftigkeit, Rechtsmißbrauch im alten Europa, speziell Großbritannien, und in den USA.

Goldencalf – inzwischen hat er sich einen Adelstitel gekauft – und seine Anna kriegen sich am Schluß. Es bleibt offen, ob die Reise zu den Monikins Wirklichkeit war oder nur im Fieberdelir halluziniert.

Dollars!Cooper karikiert im Ich-Erzähler Goldencalf einen seinerzeitigen Globalisierungsgewinner und dessen Versuche, sich eine zerfallende Welt zurechtzureden. Deren Movens springt ihn aus der Phantastik einer antarktischen Affenzivilisation heraus an:

»Dollar – Dollar – Dollar« – nichts als »Dollar!« »Fünfzigtausend Dollar – zwanzigtausend Dollar – hunderttausend Dollar« – begegneten einem bei jeder Gelegenheit. Die Worte ertönten an allen Ecken – auf den Straßen – an der Börse – in den Salons – ja selbst in den Kirchen.

John GoldencalfAußer den humoristischen und satirischen Erfindungen scheint Cooper genossen zu haben, die sprachliche Physiognomie seines Ich-Erzählers Goldencalf auszuarbeiten. Die oftmals höchst verschraubten, unausgesetzter Selbstrechtfertigung dienenden Satzgebilde stechen vom in andren Werken zu beobachtenden Matter-of-fact-Zungenschlag ab. So hat für mich auch der erste, dem Herkommen und Heranwachsen des Helden gewidmete Teil durchaus seinen Reiz als Psychogramm.

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Arno Schmidt hatte auch die »Monikins« für eine Übersetzung in Betracht gezogen (Nachwort zu Coopers »Conanchet«). In einem Essay zum Werk Coopers bezeichnet er die »Monikins« als »das erste Denkmal seines Feldzuges gegen Torheit und Korruption« (Satire und Mythos am Südpol). Ebenfalls dort verurteilt er die 1835 erschienene deutsche Übersetzung von Carl Friedrich Meurer als »die barbarischste Leistung unseres ›Volkes der Mitte‹«. Beleg: »daß aus dem ›Union-Jack‹ bei ihm ein Kleidungsstück namens ›Unionsjacke‹ wird«.**)

*) Arno Schmidt setzt diese Idee in Beziehung zu einer Denkschrift, in der Jeremiah N. Reynolds 1835 eine Expedition zur Erkundung der Antarktis anregt. Auch die Idee zu Edgar Alan Poes »Gordon Pym« gehe darauf zurück. (A. S.: Satire und Mythos am Südpol).
**) Weitere – A. S. wie mir unbekannte – Übersetzungen: Die Meerkatzen. Braunschweig: Vieweg 1835. – Die Monikins: Eine wundersame Geschichte, Ü: George Nicolaus Bärmann. Zwickau: Schumann 1836. – Die Monikins: Eine Erzählung, Ü: R. A. Fröhlich. Wien: Lechner 1843.

Robert Wohlleben
 

James Fenimore Cooper:
Die Monikins. Eine Mär
Übersetzt von Robert Wohlleben
Herausgegeben und per Nachwort kommentiert
von Christian Huck

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