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Klaus M. Rarisch
im »Massengrab« (1963)

Darüber:
Szenen aus einem Fries von 40
auf die Tapete gemalten Bildern
von Dieter Vogt (= Tyspe)
zu Dieter Volkmanns
Gedichtzyklus MICHAEL NIHIL.
Der Fries wurde nach Aufgabe
des »Massengrabs«
Ende 1963 zerstört


Die Ästhetik des Satans
Ein literaturkritischer Abend im Charlottenburger »Kulturkeller«

Die Preise sind niedrig, die Stühle hart, doch die Erwartung ist groß. Viel junges, interessiertes »Volk« sitzt in drangvoll fürchterlicher Enge im »Kulturkeller« in der Schillerstraße 40 (genannt Massengrab), wo die literarische Vereinigung der »Vier + 4« ein immerhin anspruchsvolles Programm zusammengestellt hat. Ein Zyklus gilt den »Gestalten der phantastischen Literatur«, ein weiterer den »Klassikern des Anarchismus«, und neben Romantikern und Expressionisten sollen auch wenig bekannte lebende Autoren zu Wort kommen.

Im Manifest der »Ultimisten«, wie sich die jungen Leute nennen, die diesen Keller »aufgezogen« haben, steht zu lesen, daß unsere Zeit reif ist für die Apokalypse und sich mit Notwendigkeit jetzt nur noch eine Kunst finden läßt: die letzte. Welche das ist? Nun eben ... die letzte. Denke sich jeder dabei, was er kann.

 

Massengrab in der Schillerstraße
Kartographie: Der Tagesspiegel, 4.5.2006

Dies ist der Rahmen für diesen Charlottenburger »Kulturkeller«, der einen Farbfleck mehr in den, wie es scheint, doch ganz munteren, zumindest vielgestaltigen Kulturbetrieb unserer Stadt bringt.

Für eine Lesung hatte sich Klaus M. Rarisch ein ebenso ausgefallenes wie anspruchsvolles Thema gewählt. Die Heidelberger philosophische Dissertation des Joseph Goebbels (über den vergessenen romantischen Dramatiker Wilhelm von Schütz) unterzog Rarisch einer Analyse der geistig-weltanschaulichen Gedanken des späteren »Propagandaministers«, der in der Dissertation viele seiner späteren Anschauungen – bis auf den Antisemitismus, den er in seiner Frühzeit nicht kannte – vorweg aussprach. Und man muß sagen, Rarisch machte sich seine Aufgabe nicht leicht. Er übte, immer an Hand der Textstellen, fundierte Kritik an der Goebbelschen fadenscheinig-philosophischen Literaturkritik, und er gab schließlich eine genaue Analyse der geistigen und politischen Persönlichkeit dieses – zweifellos intelligentesten, aber auch bedingungslosesten – Gefolgsmannes von Hitler. Ein Jammer nur, daß der zweistündige, schwierige Vortrag die jungen Zuhörer zuletzt überforderte und es ihnen nicht leicht machte, ihm zu folgen.

Gisela Huwe

DER TAG
Unabhängige Zeitung für Deutschland
11.7.1962
 
 

Die »Gruppe der Vier« probt
das Stück »Schwarzpulver«
von Klaus M. Rarisch

v.l.n.r:
Rarisch als Berthold Schwarz,
Manfred A. Knorr
als Kaiser Friedrich II.,
Michael Wilcke
als Abt des Klosters

Siehe auch
Ultimistischer Almanach
Ultimistisches Manifest
Was ist Ultimismus?
Not, Zucht und Ordnung

Robert Wohlleben

»Das Massengrab«
Berlin-Charlottenburg 1961–63

Das Meublement ist das, was sich als Kram fand
in Dachverschlag und bei entfernten Tanten.
Die auf gebauchten Flaschen niederbrannten,
den Kerzen hält Verschattung gar nicht lahm stand.

Was sich als Donnerhall von Grimm zu Gram spannt,
dem Dornbusch abgelauscht von Nekromanten,
entging den längst entlaufnen Unverwandten,
im Nichts gestrandet zwischen Scham und Schamwand.

Zurechtskandiert für Gräberfeld und Dome,
zerstob die Suada, grell und kunterbunt,
daß jetzt noch Irrlicht im Gesichtsfeld brennt.

Der Menschenmut trieb Ranken und Rhizome
in unentdeckten Raum und Untergrund,
daß dort entstand, was sich als Ich erkennt.

für Klaus M. Rarisch
Mergoscia (TI) – Volketswil (ZH) – Altona
21. VIII. – 4. IX. 2003

(enthalten im Meiendorfer Druck Nr. 58)