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Meiendorfer Müll

Meiendorfer Müll – Konzepte für seine künstlerische Gestaltung


Vorwort

Die MEIENDORFER SCHWEIZ, ein teils landwirtschaftlich, teils militärisch zernutztes Moränengelände am NE-Rand Hamburgs, kann landschaftliche Sanierung brauchen. Deshalb wurde behördlicherseits vorgeschlagen, auf einer Länge von 4 km insgesamt fünf Hausmüllhügel mit Sohlenbreiten bis zu 500 m und Höhen bis zu 40 m aufzuschütten: die MÜLLDEPONIE HÖLTIGBAUM. An die 100.000 Leute könnten für den Müll, der Landschaftsarchitekt Martin Ehlers für die Gestaltung sorgen (Abdeckung mit Erde, Begrünung, täuschend ähnlich). – Kommt dieser gegenwärtig noch diskutierte Vorschlag durch, erhält man ein wunderbares Naherholungsgebiet. In unmittelbarer Nachbarschaft des Panzerübungsplatzes Höltigbaum.

Jens Cords: Grüner Plan

Es sieht gerade so aus, als müßte man dem blindwütig müllproduzierenden Gespann Wirtschaft & Konsum noch dankbar sein, weil es amöne Landschaften hinterläßt. Wo unser täglicher Müll so reibungslos beseitigt werden kann, wäre Müll also kein Problem, brauchte niemand sich zur Unterlassung genötigt zu fühlen. – Wenn in Meiendorf mindestens 10 Mio m³ Müll in die Landschaft gehäuft werden, wird dies eine groß angelegte Zwangshandlung sein. Es wäre schade um die Monumentalität dieser Wegwerfgebärde, ließe man ihr die Unauffälligkeit, mit der sie in der Fülle sonstiger Zwangshandlungen durchgeht.
 

Meiendorfer Meinungs- & Müllverwertungs-Compagnie

Meiendorfer Meinungs- und Müllverwertungs-Co.

Anfang 1971 hat sich deshalb die Meiendorfer Meinungs- und Müllverwertungs-Co. (MMM-Co.) konstituiert, um für die künstlerische Begleitung der Mülldeponie Höltigbaum zu sorgen. – Was findet die MMM-CO. im Mülldeponieplan Höltigbaum vor? Die übliche Praxis der müllproduzierenden Geschwister Wirtschaft & Verbraucherschaft gegenüber dem Abfallenden/Ausgebrauchten/Entwerteten: Es wird außer Sicht (aus den Augen) verbracht, fällt aus dem Bewußtsein heraus (aus dem Sinn). Der Grund zur Beunruhigung ist damit oberflächlich neutralisiert. Bewußtsein gibt sich auf in dieser täglich fortgesetzt geübten Negation, erzeugt Fremdes in Unmengen. So kann tatsächlich NIEMANDEM die BEWUSZTE Verursachung solcher Folgen der Müllbeseitigung wie Arbeitskraftverschleiß, Belastung für die Volkswirtschaft, Boden- & Landschaftsveränderung vorgeworfen werden.

Jens Cords: Exit – Müllturm/Müllschacht (1969)Die MMM-Co. will in diesen Mechanismus der Negation eingreifen, der beim Wegwerfen im Fluge die Qualität des Weggeworfenen ändert (aufhebt). Sie will dort an den Start gehen, wo die allgemein geübte Negation schon am Ziel ist, will die Ruhe des Verabschiedeten stören, es apportieren (ein zu treuer Tyras).

Die MMM-Co. arbeitet in zwei Richtungen:

1.) Sie will Demonstrations-(Meditations-)Objekte anlegen, in denen die grasüberwachsene Ex-und-hopp-Wahrheit des Mülls betont übersehen (durchlöchert) wird.

2.) Sie will Spiele anregen, an denen das Müllpublikum mitwirken und sich aus dem Zwang des Wegwerfens erlösen kann. (Die Müllspiele wurden jedoch in der Arbeit der Gruppe einstweilen zurückgestellt, weil dazu die aktive Mitwirkung der Müllbürger nötig ist.)
 

Inhaltsübersicht

Das folgende Material ist in drei Abteilungen angeordnet:

LANDSCHAFT. Wiedergabe von 3 Drucken aus dem Serigraphienzyklus »Schöne Landschaften holsteinischer Provinz«, der vom MMM-Co.-Mitglied Jens Cords ausgearbeitet wird. Die Bilder zeigen Ansichten der MEIENDORFER SCHWEIZ, durchsetzt mit Zivilisationsrelikten.

Jens Cords: Grüngürtel

KONZEPTE. Mülldeponie als Rahmen und Medium für künstlerische Vorhaben. Die Vorschläge der MMM-Co. sind ergänzt durch Gastbeiträge von Albrecht D. (Stuttgart) und Horst Tress (Köln).

DOKUMENTATION. Aus der Korrespondenz der MMM-Co., insbesondere um rechtliche und technische Aspekte der Müllkunst.

Meiendorf, im Juli 1972

Robert Wohlleben

Aus:
Meiendorfer Müll
Konzepte für seine künstlerische Begleitung
Maro Verlag 1972


Die Meiendorfer Meinungs- & Müllverwertungs-Compagnie bestand angeblich aus Frank Böhm, Jens Cords, Peter Engel, Michael Rittendorf und Robert Wohlleben.

Auseinandersetzung mit »Deine Brücke« April bis Juli 1971

Rechte bei Wohlleben