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Der Kleinverleger Wohlleben
hat mit »Scheißwetterdichtung« Erfolg

Donnerwetter: Meteorologisches Handbuch

Von Bruno Utin, dpa


Hamburg (dpa) – Die Szene jener Kleinverlage, die sich neben den etablierten Unternehmen zu halten versuchen, ist in Deutschland äußerst vielfältig und buntscheckig, hat dazu nach der »Wende« aus den neuen Bundesländern eine Blutauffrischung erfahren. Als es noch die Frankfurter »Gegenbuchmesse« gab, hatten diese »Alternativ-Verlage«, wie sie sich nannten, ein größeres Forum, jetzt kämpft jeder auf eigene Faust ums Überleben.

So auch Robert Wohlleben, selbst Autor und dazu bis vor kurzem Lehrer für Deutsch als Fremdsprache in der Hamburger Erwachsenenbildung. Seine »Meiendorfer Drucke« sind in diesem Jahr bei der 30. Nummer angelangt.

Man könnte Wohllebens Unternehmen für ein Kind der 68er-Studentenrevolte halten, denn der erste der »Meiendorfer Drucke« mit eigenen Gedichten des Verlegers erschien in jener Zeit, und manches verbindet ihn auch mit der damaligen Bewegung. Tatsächlich aber hat der Verlag eine kurze Vorgeschichte in den »Meiendorfer Beiträgen zum Vergnügen des Verstandes und Witzes«. Das waren 15 großformatige Text-Graphik-Blätter, deren Titel unschwer den Germanisten erkennen läßt, der denn auch auf Texte von Klopstock und Arno Holz zurückgriff. Holz hat es Wohlleben überhaupt angetan: In den 60er Jahren begann er eine Dissertation über den Naturalisten, und in seinem Kleinverlag brachte er zwei Titel des »Phantasus«-Verfassers heraus.

Ein anderer Programmschwerpunkt sind die »Ultimisten« um den Berliner Schriftsteller Klaus M. Rarisch, die sich 1957 in einer endzeitlichen Stimmung zusammenschlossen und 1965 die Anthologie »Ultimistischer Almanach« vorlegten. Rarisch, von dem Wohlleben neben drei weiteren Titeln die Streitschrift »Günter Grass ein Plagiator?« vorlegte, war übrigens auch einige Zeit lang der Nachlaßverwalter von Arno Holz. Und Rarisch schreibt, wie der Verleger selbst, Sonette, die wegen ihrer strengen Form lange als völlig altmodisch galten und erst in jüngerer Zeit hier und da wieder auftauchen.

Der 20. Band der schmalen »Meiendorfer Drucke« bringt unter dem Titel »Die Geigerzähler hören auf zu ticken« 99 Sonette von Rarisch, und ein Kritiker bescheinigte ihm, daß er diesen Texten »in aller Eisenhärte Sprachhumor und Geschmeidigkeit« beigebe, die ihresgleichen suchten. Wohlleben hat zu seinen eigenen Sonett-Dichtungen, die er in diesem Jahr unter dem Titel »Zug und Gegenzug« als 28. Bändchen seiner Drucke veröffentlichte, kürzlich in einem Interview gesagt: »Ich nehme die alte Form und zerschlage sie inhaltlich.«

Neben zwei Titeln von Ralf Thenior, der sich als Erzähler bereits einen Namen gemacht hat, und Gedichten des Dadaismus-Forschers Karl Riha ist das nun schon in dritter Auflage vorliegende »Meteorologische Handbuch unter besonderer Berücksichtigung kulturatmosphärisch-klimatokultureller Aspekte« zu nennen, das der Verleger zusammen mit seinem Hauptautor Rarisch unter dem Obertitel »Donnerwetter« herausgegeben hat.

In der Sammlung ist »Scheißwetterdichtung« versammelt, wie es unumwunden im Nachwort heißt, etwa von der Machart »Die Wilster Marsch / hat ein Wetter fürn Arsch«, »In Speyer / hagelts Ostereier« oder »Das Wetter am Neckar / geht auf den Weckar«. Und über eine der Karnevalshochburgen heißt es gar: »Das Wetter von Mainz / ist gar keins«. Die derart mit Sprüchen bedachten Regionen reichen von den Abruzzen bis Zypern, wie dem Inhaltsverzeichnis zu entnehmen ist.