Wie sind Sie zum Werk Arno Schmidts gekommen? Das Werk Arno Schmidts wurde mir eher zugetragen, wohl bald nach meiner Schulzeit vom Mit-Rahlstedter Robert Biedermann. Er machte 1948, als ich dort eingeschult wurde, an unserer Rahlstedter Oberschule sein Abitur, ich meins 1956. Ihm verdanke ich Hinweise auf Henri Michaux, Max Bense, Eugen Gottlob Winkler. Und eben auch auf Arno Schmidt, in Gestalt des Leviathan. Der Tonfall mit dem expressionistischen Timbre rückte das Buch von der lehrplangemäß und auch außerhalb der unterrichtlichen Einhegung bis dahin gelesenen Prosa ab, wie sich denken läßt. So entstand eine Neugier auf weitere Bücher des Autors, wach gehalten und vertieft durch gelegentliche Gespräche mit dem anderen Robert. Erste Anschaffung dann erst 1961: Über den Zeitschriftenverlag, bei dem ich damals als Wirtschaftsredakteur diente, bezog ich den Leviathan von Rowohlt mit Kollegenrabatt. Weniger wohlfeil war ich zuvor schon an andere Autoren gelangt, wie Broch, Musil, Jahnn und die Expressionisten der Neuen deutschen Erzähler. Die schon vorher verzweigte Neugier hatte sich also ausgewachsen, wie auch weiterhin und noch jetzt. Warum sind Sie dabeigeblieben? (Gegebenenfalls: Warum haben Sie das Werk Arno Schmidts hinter sich gelassen und welchen anderen literarischen Favoriten haben Sie sich statt dessen zugewandt?) Eigendynamik gewann der Umgang mit Arno Schmidts Büchern durch zunächst korrespondentielle Kontakte zu anderen mit Arno Schmidt Befaßten, voran Jörg Drews. Ähnliche Verstärkung erlebte ich bei meiner Beschäftigung mit Arno Holz, nachdem ich ihn mir als Thema einer (nie fertiggestellten) Dissertation gewählt hatte: ausführliche Korrespondenz mit anderen Holz-Forschern. Hinsichtlich Schmidts tat die Ausrufung des Arno-Schmidt-Dechiffrier-Syndikats dann ein übriges, dem bezüglichen Austausch Zug und Form zu geben. Ein nach Erscheinen von Zettels Traum veranstaltetes ASDS-Treffen in Bargfeld war Gelegenheit, eigene Lektürebefunde anderen verfügbar zu machen und von Fall zu Fall durch Befunde anderer zu korrigieren oder zu erweitern. Wie es halt auf literaturwissenschaftlichen Tagungen zugeht, wenn es gut läuft. Um der Erörterung der Schmidtschen Dunkelheiten und Finessen welthaltigen Bezug zu sichern, machte sich die ganze Gesellschaft auf, den Weg nachzuwandern, der Schmidts Erzählung Die Wasserstraße strukturiert. Trotz mehrerer zuhandener Meßtischblätter der Gegend verliefen wir uns im Wald. Robert Biedermann erzählte mir danach von einer Bemerkung des ebenfalls mitwandernden SPIEGEL-Redakteurs Gunar Ortlepp: »Sagen Sie mal, Herr Biedermann, ist das eigentlich noch normal, was wir hier tun?« Die Rätselspiele in Zettels Traum erschienen mir bald als hypertrophiert, so daß ich das Buch nur zum Teil gelesen und dann beiseite gelegt habe. Da war es Anfang der achtziger Jahre leicht möglich, die Schmidt-Bücher und manches andre aus Geldnot zu verkaufen. Ich habe nicht den Eindruck, daß da eine nun anders zu füllende Leerstelle entstanden ist. Schwerpunkte literarischen Interesses sind ja nichts gezwungenermaßen Statisches oder Einziges, dürfen kommen und gehen, schließlich auch mal bleiben. Deutliches Beispiel ist mir in dieser Hinsicht Gorch Fock, der mir vor einer Reihe von Jahren in den Blick kam, mich eine Weile intensiv beschäftigte und dabei nun wirklich zu keiner Zeit Favorit war. Quer durch den Garten Wiedergelesenes weist wohl auf Interessenschwerpunkte, doch wieder scheint mir das Favoritenetikett nicht zu passen, denn Wiederlesen ist ja mehr Überprüfung als Bestätigung früherer Wahrnehmung. Verspricht immer Überraschungen. Wie steht Ihr Lebenspartner dazu? Damals wahrscheinlich nicht anders als zu allem möglichen andren. Rudi Schweikert (Hg.): RW über Arno Schmidts »Caliban über Stebos«
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