Langzeitschlaf
Der lange Schlaf ist nur ein tiefes Schweigen,
das dort, am Ziel, unendlich dauernd währt
und einem Hauch gleich über Wüsten fährt,
die mit den Dünen auf- und niedersteigen.
Er ist die Stille in entlaubten Zweigen
und etwas, das zerfallend Triebe nährt,
in denen sich das ganze Sein erklärt
in seinen Saaten, Reifen oder Neigen.
Der lange Schlaf erscheint uns nur wie Tod,
denn alles ändert sich nur im Verrinnen,
um als ein andres wieder zu beginnen.
Er gleicht der Fahrt in einem schmalen Boot,
das irgendwann mit uns ganz still von hinnen
dem Drüben zustrebt, um es zu gewinnen.
Richard Klaus
In EISPRUNG I (Meiendorfer Druck 13)
DAS ENDE DER SCHLAFLOSIGKEIT
Der lange Schlaf ist kein Geschenk der Gnade,
Er ist der Lohn, der uns allein gebührt,
die wir ein Leben voller Lärm geführt,
ist Anspruch auf ein ruhiges Gestade.
Nur fade Asche birgt die Bundeslade.
Das Feuer, von Begeisterung geschürt,
erlosch und hinterließ uns unberührt,
von Fragen, seis auch um die Antwort schade.
Der Tod erscheint nur dem wie langer Schlaf,
der schon das kurze Leben dumpf verschlief,
den nie ein Rufer in der Wüste rief,
den kein Appell des Nachts zum Wachen traf
und dessen Fahrt so trüb wie glatt verlief.
Uns ist die längste Ruhe nicht zu tief.
In DIE GEIGERZÄHLER HÖREN AUF
ZU TICKEN (Meiendorfer Druck 20)
Traum-Haft
Das Licht von nirgends, Wände nicht von Stoff,
die Hände greifen leer in zahllos viele
Gelasse voll Gestühl verschollner Stile,
an Fenstern enden alle Welten schroff.
Wo einst Sekret aus Drüsen niedertroff,
entstehen Fleck um Fleck die Schattenspiele
von Tuschen, hinschraffiert mit blindem Kiele,
daß kein Beschauer auf Verstehen hoff.
Wer alles ist durch dies hindurchgegangen
durch Welten, doch in einer stets gefangen?
Die Spuren all der Gänge sind verworrn,
wie sie sich trafen, trennten, sich verschlangen,
um endlich, endlich auswärts zu gelangen
wo doch das Ende wieder hieß: von vorn!
Robert Wohlleben
In DER GRINSENDE VATER (Meiendorfer Druck 16)
Wir sehen hier:
Zwischen Richard Klaus, Klaus M. Rarisch und mir
entspann sich eine »Tenzone« ...
zum Thema Verschlafen und Verträumen.
Drei Durchblicke.
Dieter Volkmann, der Verschollene, soll fortsetzen:
Meerstimme
Die Muschel hob ich über Segelstangen;
Ein Eremitenhaus, gefliest vom Rot
Die Träume stahlen keinem Fischer Brot
Und waren leise längst ins Meer gegangen.
Die Muschel gab ich meinen Einsamkeiten
Ans Ohr und bebend nahms Atlantisklang
Und wurde gut und stark im Weltendrang
Und sah Phöniziens Purpurschwäne reiten,
Don Cristobal, des Schwertfischs flinke Flanken,
Armadas fetten Bauch, die Drakeharpune,
Und »Jim, den Lord«, die Robinsonlagune,
Und black and gold der Sklaven, Fieberkranken;
Schalmei und Horn, gewölbt Poseidons Lippen:
Der Menschheit Meerfahrt in den Kreideklippen.
Dieter Volkmann
In 15 MAURERISCHE SONETTE FÜR
EINEN HOLZSCHNEIDER (Meiendorfer Druck 15)
Die Dunkeln Schwaden
Die Dunkeln Schwaden überm Mond,
ziehn decken-hin bis ins Gehäus,
es träumt sich grausam, und ich scheus,
von draußen knisperts leise drohnd
Was prim nicht ist ... das terzt ... das nônt ...
Nôn-Zahlen ... endlos in der Reus ...
am Fenster immer noch White Noise
Das Zahlenreich ist neu verzont!
Es stetigt nun des Schnees Stimm.
Die Mondin kehrt mit treuem Licht.
Fühl stillen Atem neben mir:
Der Schlaf ist nimmer mehr so schlimm
die Welle trug, die Welle spricht.
Weiß ich doch, wo ich bin mit dir.
Albrecht Barfod
Variant in EINSCHLAFSTÖRUNGEN (Meiendorfer Druck 52)
FRANCESCO PETRARCA AN LAURA
Apokryph
Es war vor Siena ausspann richtung Rom
Aus stiegst Du hocktest hobst den rock zum pissen
da stand mein Gianni auf dem hodenkissen
Die schatten groß wie ein gestürzter dom
Dann seh ich Deine lefzen glatt braun rein
schön wie ein krug den töpferhände rillen
O goldner tau den morgenrausch zu stillen!
schlaraffengras! es regnet herben wein
Ich sorge Laura daß Dich niemand kennt
und weiß wies wirklich zwischen uns gewesen
ich rückte noch Dein kleid Auf pergament
wird nichts von solchem spiel zu lesen stehn
(und dies gedicht das kriegt kein mensch zu lesen)
Die bürger sollens hoch geminnet sehn
juli 88
Herbert Laschet Toussaint = HEL
In SODOMS HIMMEL (Meiendorfer Druck 39)
Exit
Es lacht dir in den Tunnel nach noch lange
das liebe Licht nun schon gedämpft, gebrochen ,
dich aber schiebt es wie mit langer Stange
fort in das schwarze Loch, fort ins Malochen.
Nur hurtig fort, nur immer fortgekrochen!
Der Sonntag lockt! Doch eines Sonntags, bange,
spürt dein geschärfter Sinn: Es steht seit Wochen
der immer gleiche Tag im Tunnel Schlange.
Noch dreißig Jahre so. Noch dreiundzwanzig.
Noch neunzehn Jahre siebzehn dreizehn elf
dann trete ich ans alte Licht. Dann tanz ich.
Ein Lichtlein! Bist du Waibling oder Welf?
Der Ausgang ist erreicht! Nein, es riecht ranzig.
Der Tod hälts in der Hand. Daß Gott dir helf.
Ernst-Jürgen Dreyer
In GIFT + GÜLLE (Meiendorfer Druck 32)
Trennung
Gehusch von Schuhen; allgemeines Rennen
wie Murmeln des empörten Meeres quillt
von den Garagen her Geräusch des Zornes:
»... nichts an als um den Hals ein Kabel nur ...«
Das Murmeln schwillt und wird fuchsteufelswild:
»... sich so nach der Geburt davon zu trennen ...«
WAS liegt im Müll? ein Was? ein Neugebornes
mit violett-verdrehter Nabelschnur?
»Wer kennt die Frau?! Daß ihr doch einer sage:
Ein Kind gehört nicht in den Müllcontainer;
und wenn sie lernens nie! , kommt allenfalls
nein, nicht die Wertmülltonne! sondern jener
der mit dem Biomüll dafür in Frage!
in DIE kommt nur das Kabel um den Hals!«
Ernst-Jürgen Dreyer
In KOTBLECH (Meiendorfer Druck 38)
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