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Bedingungen der Kleinverlegerei

Altona, den 8. Dezember 1993

    An das
    Finanzamt Hamburg-Altona
    Postfach 50 04 71
    22704 Hamburg


Begründung meines Einspruchs vom 26. 11. 1993

Sehr geehrte Damen und Herren,

lt. Einkommensteuerbescheid vom 25. 11. 93 wollen Sie den 1992 entstandenen Verlust aus meiner Verlagstätigkeit steuerlich nicht berücksichtigen, weil Sie diese als »Liebhaberei« einstufen. Sie begründen das damit, daß aus der Geschäftsentwicklung 1983–1992 keine »Gewinnerzielungsabsicht« zu erkennen sei. Sie stellen dazu meine Betriebsausgaben in einen Abhängigkeitszusammenhang mit meinen Betriebseinnahmen.

Voran: Ich bin kein Steuerrechtsexperte, möchte mich auch nicht in »Kommentare« vertiefen. Für den Fall, daß meine Ausdrucksweise nicht den richtigen Wortgebrauch trifft, bitte ich, mich »recht zu verstehen«.


1.) Ich widerspreche der Bewertung »Liebhaberei«

Die Einstufung meiner verlegerischen Tätigkeit als »Liebhaberei« ist weder im Hinblick auf das Inhaltliche meiner Arbeit noch vor dem Urteil ausgewiesen kompetenter Institutionen haltbar.

Um an Beispielen zu zeigen, wie andernorts meine verlegerische Tätigkeit ganz und gar nicht als »Liebhaberei« gewertet wird, füge ich hier in Kopie bei

    Druckkostenzuschuß-Bewilligung der Arno Schmidt Stiftung für den Meiendorfer Druck 20 (1990). [Anlage 1]
    Zuwendungsbescheid der Hamburger Kulturbehörde (von mir »hochfahrend« ausgeschlagen, weil mir das pingelige Ausfüllen des Finanzierungsplans zuwider war) (1992). [Anlage 2]
    Einträge im Verzeichnis der für Australien und Neuseeland zusammengestellten Wanderausstellung »BOOKS ON THE MOVE« (1981). [Anlage 3] (Mit meinen Produktionen war ich auch an Ausstellungen beteiligt, die das Auswärtige Amt in Afrika und Asien auf Wanderschaft geschickt hatte ... die Belege sind mir abhanden gekommen.)

Meine verlegerische Arbeit entspringt der Absicht, einen Markt zu erreichen für Literatur, die wegen ihres Schwierigkeitsgrads nicht auf größere Abnehmerschaft rechnen kann und deshalb bei den umsatzorientierten größeren Verlagen keinerlei Chancen hat. Daß mein Kalkül bisher nicht so aufgegangen ist, wie ich es anstrebe, führe ich zum bedeutenden Teil auf die Marktbedingungen zurück, denen ein »Zwergverlag« wie meiner ausgesetzt ist (darüber weiter unten). Meine Bemühungen sind (zum Teil) erfolgreich.

Gegen die Einstufung »Liebhaberei« führe ich außerdem an: Ich lebe in einer Wohnung mit nur 38 Quadratmetern, mir stehen zudem nur 2,5 Quadratmeter Bodenverschlag unter der Dachschräge zur Verfügung ... es war NIE mein Ziel, daß mir – wie es jetzt ist – 3200 oder mehr 16-Seiten-Hefte und 300 einpfündige »Geigerzähler« den Wohnraum einengen. Das ist schon lange äußerst LÄSTIG.

Falls es förderlich wäre, würde ich mit Ihnen abstimmen, wie Sie sich bei mir an Ort und Stelle Augenschein verschaffen könnten.

In der (immer noch schmalen) Reihe der von mir verlegten »Meiendorfer Drucke« (MD) gibt es genug zugleich gewichtige wie nicht »marktkonforme« Titel, die ohne meine Initiative nicht zum Druck gelangt wären. Mit einer gedrängten Übersicht möchte ich deutlich machen, daß die verlegerische Linie meiner Meiendorfer Drucke nicht »liebhaberisch« vagabundiert, sondern entschieden an literarischer Qualität orientiert ist. Ich zähle einige auf:

    MD 4 / Klaus M. Rarisch (Text) & Manfred A. Knorr (Musik): Der Tod ein Traum. – Gedichte und die zugehörige Musik sind Dokumente des Ultimismus, einer vor über 30 Jahren in Berlin kreierten Kunstrichtung. Zwar wurde die Lyrik verschiedentlich vorgetragen, die Musik in Bayreuth aufgeführt, aber kein Verlag sonst hatte das Risiko des Drucks eingehen wollen.

    MD 5 / Arno Holz: Berg des Lebens. – Ein Beitrag zur Arno-Holz-Forschung: Tiefenzusammenhang zwischen seiner Lyrik- und Theatersprache.

    MD 8 / Klaus M. Rarisch: Das Ende der Mafia. – Kritischer Diskussionsbeitrag zur Bewertung der Gruppe 47 (ich habs GEWAGT).

    MD 13, 17, 23 / Richard Klaus: Eisprung I/II/III. – Sonette aus dem Kreis der Berliner Ultimisten. Erste eigenständige Lyrikveröffentlichungen des Autors (gest. 1991). Das verlegerische Wagnis besteht darin, daß die Gedichtform des Sonetts zunächst nicht »marktkonform« ist. Sie wäre durchzusetzen! Abwegig ist das NICHT, wenn ich bedenke, daß Gelegenheitssonette von Prominenten (Wondratschek, Ulla Hahn, Biermann, Rühmkorf, Grass) durchaus Aufmerksamkeit finden.

    MD 14 / Ernst-Jürgen Dreyer: Hirnsfürze. – Mehrere bedeutende Verlage hatten den experimentellen Text des Autors (Hesse-Preis 1980) abgelehnt. Ich habs mit dem auch satztechnisch schwierigen Text aufgenommen.

    MD 15 / Dieter Volkmann: Fünfzehn Maurerische Sonette für einen Holzschneider. – Sonette aus dem Kreis der Berliner Ultimisten. Aus dem Nachlaß des verschollenen Autors.

    MD 18 / Ralf Thenior (Text) & Alfred Wank (Musik): Vier Lamenti – Der Autor (Droste-Preis 1993) suchte eine Veröffentlichungsmöglichkeit für die experimentelle Zusammenarbeit mit dem Komponisten.

    MD 20 / Klaus M. Rarisch: Die Geigerzähler hören auf zu ticken. – 99 Sonette vom Hauptvertreter des experimentellen deutschen Sonetts in der Gegenwart. Förderung durch die Arno Schmidt Stiftung.

    MD 21 / Louis Ulrich: Widergesicht. – Erste eigenständige Veröffentlichung des Hamburger Experimentellen.

    MD 24 / Albrecht Barfod: Alp und Ohm. – Erste eigenständige Veröffentlichung des (notorisch veröffentlichungsscheuen) Autors. Gedichtauswahl aus 30 Jahren.

    MD 25 / Maxi Unseld: sie lächeln wie schön. – Erste eigenständige Veröffentlichung der Autorin. Sie ist aus dem Hamburger Literaturlabor hervorgegangen. Ich habe mich von Frederike Frei, der langjährigen Leiterin des Literaturlabors, zur Herausgabe drängen lassen.

    MD 16 / Robert Wohlleben: Der grinsende Vater
    MD 22 / Robert Wohlleben: Falsch und wunderbar. – Sonette von mir. Da es zur Zeit fast unmöglich zu sein scheint, bei »normalen« Printmedien Sonette unterzubringen, bleibt mir nichts andres übrig, als sie selbst in Druck zu geben. Der Norddeutsche, der Saarländische und der Bayerische Rundfunk haben mich bereits ausführlich mit meinen Gedichten zu Wort kommen lassen, unlängst wurde ich damit als Beiträger zu einer großen Literaturtagung zugezogen. Das Wissen um die Bedeutsamkeit meiner Sonette ist also KEINESWEGS meine private Überzeugung.

Falls nötig, wäre es mir möglich, gutachterliche Stellungnahmen einzuholen, die die »Ernsthaftigkeit« meiner Verlagstätigkeit bestätigen. Ich hab noch nicht gefragt (weil es vielleicht verfrüht ist), könnte aber schon mal an diese denken:

Geben Sie mir bitte Nachricht, wenn es so sein sollte, daß mein Einspruch die Untermauerung durch Gutachten nötig hat.

2.) Gegen die Behauptung, Gewinnerzielungsabsicht sei bei mir nicht gegeben

Nicht mit einem Kapital operieren zu können setzt meiner Verlegerei schmerzhafte Grenzen. Soweit es um die Produktion geht, kann ich noch zum schönen Teil »Kapital durch Arbeit substituieren«. Aber schlicht außer Reichweite sind die Möglichkeiten größerer Verlage: Anzeigenkampagnen, Autoren auf Lesereise schicken, Buchhandlungen »pflegen«, Pressekonferenzen finanzieren, Präsenz auf Buchmessen, Verlagsvertreter auf die Reise schicken, und was der schönen Dinge mehr sind. – Verschiedene von mir angesprochene Buchhandelsvertreter haben zwar meine Produktion schön gefunden, aber mit Rücksicht auf ihre ökonomischen Zwänge abgewinkt: Ohne voraufgegangenes Marketing wäre nichts drin. Der Buchhandel wolle nur noch Umsatz machen, aber sich für nichts anstrengen.

Für all das fehlt mir das Geld. Ich bin drauf angewiesen, daß der eine Rezensent, die andre Rezensentin meine Meiendorfer Drucke in der Presse oder im Rundfunk bespricht. Darauf kann ich mich bis zu einem gewissen Grad auch verlassen. Der in einlaufenden Bestellungen gemessene Erfolg ist wechselnd. Und reicht bisher per Saldo nicht. – Besonders niederschmetternd 1992: Zu den »handfesten« Meiendorfer Drucken 21–25 ist bisher eine einzige Radiorezension erschienen (SFB). Anscheinend ist der breitgestreute Schrotschuß meiner Besprechungsexemplare von der Herbstbuchmesse untergemangelt worden. Und die Redaktionen sind heute erfahrungsgemäß so »krüsch«, daß 1993 schon als unanständig veraltet gilt, was 1992 erschienen ist.

Zur Untermauerung meiner Bemerkungen füge ich hier in Kopie einen Artikel aus DIE ZEIT vom 8.10.93 bei: Dort beschreibt der Kleinverleger Wolfgang Rüger, mit welchen Schwierigkeiten die ganz kleinen Verlage zu kämpfen haben. [Anlage 4] Er hat recht!

So hab ich – eigentlich nach wie vor – das Konzept, Kapital nicht nur durch Arbeit, sondern zum Teil auch durch HARTNÄCKIGKEIT zu substituieren. Mit jedem neuen Heft der Reihe verband ich bisher die Hoffnung, nun DIESmal ein größeres Publikum als bisher zu erreichen. Ich erhoffte mir davon stets auch Absatzsteigerung für zurückliegende Titel und damit eine breitere Finanzierungsbasis. Neue Hoffnung machen mir jetzt die Rügerschen Anregungen im ZEIT-Artikel vom Oktober: VIELLEICHT können kapitallose Kleinverlage es durch KOOPERATIVEN Zusammenschluß schaffen, einen verlegerischen »Off-Broadway« zustande zu bekommen. – Aber das würde einige Jahre brauchen, ist nichts für eine Verbesserung der Gewinnsituation schon im nächsten Jahr. Zukunftsmusik.

Von Anfang an habe ich Meiendorfer Drucke produziert, um sie zu VERKAUFEN. (Und nicht, um mir die kleine Wohnung noch weiter zu verstopfen!) Jede Auflage war so kalkuliert, daß sie bei Ausverkauf zu einem gewissen Teil zur Finanzierung neuer Produktionen beiträgt und im übrigen Gewinn abwirft.

Ein etwas schmerzhafter Prozeß ist es, mich von der Idee zu trennen, ein niedriger Preis ermögliche den niedrigschwelligen Zugang zu hochwertiger Literatur. Ich muß die Einsicht zulassen: Da träumt der Traum an den Gesetzen des Marktes vorbei. Der erste 16seitige Druck – Alfons Teschaus »Veilchen und Mährrettich« mit den Siebdrucken von Frank Böhm – wurde 1969 noch für 3 Mark angeboten ... bekloppt! 1981 setzten die 16-Seiter mit ganz kleinen Auflagen wieder ein und waren bis 1989 für 5 Mark zu haben.

Karl Rihas lie/bes/ka/len/da/ri/um – Meiendorfer Druck 19 – hat mir den ersten Preisgestaltungsschrecken versetzt: Es geriet außer der Reihe und holterdiepolter ins Meiendorfer Programm, kleiner Druckauftrag auf extra zu beschaffendem kleinem Posten ausgefallenen Papiers, ganz wie gewohnt und automatisch setzte ich die volksfreundlichen 5 Mark als Preis. Zu allermeist kamen Einzelbestellungen von verstreuten Buchhandlungen, die ich mit 35 % Rabatt bediente und ihnen 70 Pfennig für das damalige Büchersendungsporto aufschlug. Bei Zahlung liefen also 3,95 Mark ein. Das kartonverstärkte Kuvert kaufte ich für nicht unter 80 Pfennig ein, blieben also 3,15 Mark. Irgendwann das genauere Nachrechnen ergab: Auf die Verkaufsauflage gerechnet, stellte sich ein Stück auf 3,35 Mark. Ich setzte also mit jedem einzeln verkauften Stück 20 Pfennig zu! Keine so gar große Summe bei der so kleinen Auflage, aber ein großer Widersinn im Sinne der Gewinnerzielung!

... So hab ich denn für die Meiendorfer Drucke 21 bis 25 bei deren Erscheinen im Sommer 1992 den Preis auf 7 Mark per Stück gesetzt. Und kam mir bald pervers raffig dabei vor. – Die Post mit ihrer bestimmt begründet unraffigen Portoerhöhung 1993 versetzte mir den nächsten Schrecken. Jetzt ging es bei Einzelbestellungen so: Für ein 16-Seiten-Heft zum Ladenpreis von 7 Mark berechnete ich 4,55 Mark plus 1,50 Porto für die Büchersendung, macht 6,05 Mark ... der Buchhändler hat seit 1993 für die Zusendung der Bestellung eine Mark Porto zu zahlen ... wer rechnen kann, mag darüber nachdenken.

Das hat mich dazu gebracht, ab 1. August 1993 den Preis für alle meine 16-Seiten-Hefte auf 10 Mark zu setzen. Im Sinne einer plausibleren Gewinnerzielungsausssicht! Und das schon ein paar Monate bevor Sie mir unter dem 25.11.1993 die Gewinnerzielungsabsicht abstritten. Sie könnten sich meine Darstellung durch Rückfrage bei der Buchhändler-Vereinigung GmbH, Redaktion Verzeichnis Lieferbarer Bücher (Postfach 10 04 42, 60004 Frankfurt am Main, Tel. 069/1306-360, Fax 069/1306-395), bestätigen lassen.

Nein: Meine Meiendorfer Drucke habe ich nicht zum Spaß und aus Liebhaberei produziert. Was – gegen meine Absicht und mein Erwarten! – in meiner (zu kleinen) Wohnung lagert, hat einen WERT. Der Wert ist hypothetisch, zugegeben, aber er läßt sich doch angeben: Bei Annahme eines Händlerrabatts von 35 % ließen sich aus dem bei mir lagernden Bestand rd. 31.000 Mark erlösen. – Gewinn wäre das noch nicht, denn Tantiemen und – im Fall der »Geigerzähler« von Klaus M. Rarisch – die Rückzahlung der Druckkostenbeihilfe wären noch abzurechnen ... keine 8000 insgesamt. [Anlage 5]

Die Geschichte meiner verlegerischen Tätigkeit seit 1967 verlief bisher in langzeitigen Bögen. Erster (gewinnbringender!) Gipfelpunkt 1976 mit Materialien für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Dieser Strang riß (leider) ab, danach nur zaghafte Produktionen 1977, 1980 und 1981. Nach langer Pause erst 1987 setzte mit dem meteorologischen Handbuch »Donnerwetter« (Meiendorfer Druck 11) neuer Aufschwung ein. Sagen ließe sich: Zwischen Meiendorfer Druck 10 von 1981 und Meiendorfer Druck 11 von 1987 hat der Verlag nur unruhig geträumt, mit höchstens knapp dreistelligen Gewinn- oder Verlustziffern.

Ich fasse zusammen:

Seit 1977 habe ich mit meiner verlegerischen Tätigkeit ein Verlagslager aufgebaut, das bei optimistisch angenommenen 35 % Händlerrabatt einen Wert von 31.000 Mark darstellt. Beim schlechtest zu denkendem (nicht zu wünschendem!) Händlerrabatt von 50 % wären es noch gut 23.800 Mark. Es war immer meine Absicht, diese Summe auch zu erlösen. Daß ich sie nicht erlöst habe und sie auch nicht habe weiter steigern können ... gut, zum Teil muß ich das meinen Irrtümern zuschreiben. Zum Teil ist es klar durch widrige Marktstrukturen und durch das noch zu schmale Titelangebot bedingt.

3.) Bewertung meiner Geschäftsergebnisse 1983–92

Ich beziehe mich auf meine anliegende Zusammenstellung »Kostenentwicklung 1982–1992«. (Bis 1988 nach meinen alten Belegsammlungen zusammengestellt, nicht nach detaillierten Auflistungen – also nicht GANZ genau vermutlich. Aber die Größenordnungen sind getroffen!) [Anlage 6]

In den Jahren 1982 bis 1986 beschränkte sich die Verlagstätigkeit im wesentlichen darauf, die in den Jahren 1977 bis 1981 produzierten »Meiendorfer Drucke« Nr. 4 bis Nr. 10 »unters Volk« zu bringen. Meine Tätigkeit als angestellter Deutschlehrer bei einer privaten Sprachschule und die ehrenamtliche politische Tätigkeit beim Hamburger Arbeitskreis ASYL ließen mir kaum Raum, mich um den Kleinverlag zu kümmern.

Einnahmen blieben bis 1986 äußerst gering. Die ebenfalls geringfügigen Ausgaben dienten überwiegend der Werbung (z. B. 1984 Teilnahme an einer Minipressenmesse in Kiel). Auch das, was unter »Photokopien«, »Büromaterial« und »Porto« zusammengefaßt ist, ist großenteils kleinen Werbemaßnahmen zuzuschlagen. Sinn dieser Ausgaben war, den Absatz zu fördern.

1987 erzielte ich 1980 DM Einnahmen, denen als größter Ausgabenposten 1710 DM Druckkosten gegenüberstanden.

Nach Ihrer Argumentation folgen bei meiner Verlagstätigkeit aus höheren Betriebseinnahmen dann höhere Betriebsausgaben.

Diese Argumentation trifft für 1987 nicht zu. Vielmehr ist es so, daß umgekehrt die Einnahmen erst durch die Investition in den damals neuen »Meiendorfer Druck« Nr. 11 ermöglicht wurden. Ebenfalls infolge der Investion erhöhten sich die Ausgaben für Werbung, PR und Versand. Direkt und unbeeinflußbar mit dem Absatzerfolg verkoppelt ist der an Autorentantiemen fällige Betrag.

Für das Jahr 1988 trifft Ihr Argument ebenfalls nicht zu. In diesem Jahr sind meine Betriebseinnahmen deutlich hinter ’87 zurückgefallen. Mit insgesamt rd. 3160 DM wesentlich höhere Druckkosten entstanden zum größeren Teil durch die 2. Auflage des erfolgreichen »Meiendorfer Druckes« Nr. 11 – der bis einschl. 1992 wesentlich an den Einnahmen beteiligt war. Diese zweite Auflage ist inzwischen verkauft, die Ausgaben dafür waren also gut und richtig. Zum kleineren Teil fielen Druckkosten für drei Hefte zur Fortführung der Publikationsreihe an. – Der von mir nicht zu beeinflussende Tantiemenbetrag in Höhe von 380 DM ist im Grunde ein Indikator für eine nicht ungünstige Absatzlage.

Die Ermutigung zum Ausbau der Reihe »Meiendorfer Drucke« habe ich 1989 so umgesetzt, daß ich für rd. 3000 DM Druckkosten die Reihe »Meiendorfer Drucke« gleich um fünf Hefte erweiterte. Mit dem Ziel, durch Verbreiterung des Angebots die Gewinnerzielungsaussicht zu verbessern. Die Ausgaben für Büromaterial und Porto ergaben sich wieder mehr zwangsläufig durch Werbemaßnahmen, PR und Versand. Den für Tantiemen fälligen Betrag konnte ich nicht beeinflussen.

Auch für das Jahr 1990 möchte ich Ihre Argumentation abweisen. Es stimmt, daß dem Kleinverlag die vergleichsweise hohe Summe von rd. 11000 Mark zugeflossen ist und daß die gegenüberstehenden Ausgaben in gleicher Weise »explodiert« sind. Dies Geschäftsjahr ist aber in keiner Weise typisch für meine Verlagstätigkeit! Die Höhe der Beträge folgt daraus, daß ich von meinem sonst strikt durchgehaltenen Prinzip abgewichen bin, wirklich alles aus eignen Mitteln zu bestreiten. Die 1990 angefallenen Druckkosten in Höhe von 7432 DM hat mir mein Autor Klaus M. Rarisch, Berlin, vorgeschossen. Wir haben vereinbart, daß je abgesetztes Exemplar des »Meiendorfer Druckes« Nr. 20 ein bestimmter Betrag zur Rückzahlung des Vorschusses an ihn abzuführen ist. Außerdem hat mir die Arno Schmidt Stiftung, Bargfeld, mit einem Zuschuß in Höhe von 1500 DM geholfen. Diese 1500 DM habe ich sogleich benutzt, die Rückzahlung an Klaus M. Rarisch um 1500 DM zu vergrößern.

Noch 1990: Die Ausgaben für Werbung, teils auch die für Photokopien, Büromaterial und Porto, sollten den Absatz des »Großobjektes« fördern, lagen deshalb höher. Die Ausgaben für Porto haben sich auch durch Größe und Gewicht des »Meiendorfer Druckes« 20 (17,5 cm × 22,5 cm, 500 g) steil erhöht. Am Büromaterial sind u. a. die teuren Versandhüllen aus kräftigem Karton mit beteiligt. Als letztendlich verzichtbare Ausgabe erwiesen sich die 400 DM Kosten für den Beitritt zum »Preisbindungsrevers« des Buchhandels. Aber damals hielt ich ihn – wie die anderen Ausgaben – für nötig, um die Absatzlage zu verbessern.

1991 habe ich die Ausgaben UNTER den Einnahmen gehalten. Ich habe einen Gewinn erzielt. Tantiemen und Rückzahlung des Druckkostenvorschusses an Klaus M. Rarisch hatte ich nicht in der Hand ... und das ist zusammen schon der größte Posten unter den Ausgaben. Die Kosten für Einträge im Verzeichnis Lieferbarer Bücher MUSSTEN aufgebracht werden, damit bestellende Buchhändler mich finden. Der Portobetrag ergibt sich großenteils wieder zwangsläufig aus dem Versand überschwerer Sendungen. Abermals habe ich versucht, mit (vorsichtigen!) Werbemaßnahmen den Absatz zu fördern.

Und schließlich sehe ich auch für das Jahr 1992 Ihre Argumentation nicht zutreffen. Die Einnahmen von rd. 2100 DM zeigen (wie schon die Einnahmen seit 1987), daß mein Verlagsangebot nicht gar so abwegig ist. Aber ich meine, daß das Angebot einfach zu schmal ist, um sich wirklich ein kleines Marktsegment nachhaltig zu sichern. (Mehr als ein kleines Segment anzustreben wäre vermessen ... ich bin nicht Rowohlt). Aus dieser Erwägung heraus habe ich im Sommer ’92 weitere fünf »Meiendorfer Drucke« zum Druck gegeben: 2463 DM. Ich war davon ausgegangen, daß deren Absatz schon im Jahr 1992 mit zu den Einnahmen beiträgt. Das war unerwarteterweise leider nicht der Fall, denn im ganzen Jahr ’92 erschien nicht eine einzige Besprechung, die das Lesepublikum darauf aufmerksam gemacht hätte. Ich habe keine valide Erklärung für dies Phänomen, das mir noch nie begegnet ist.

Noch 1992: Als unbeeinflußbare Ausgaben wieder Tantiemen, Vorschußrückzahlung und Einträge im Verzeichnis Lieferbarer Bücher. Die Zahlung für den Preisbindungsrevers schlägt so hoch zu Buche, weil ich 1991 die Überweisung der geforderten 210 DM vergessen hatte. Beim Posten »Porto« wie in den Vorjahren: u. a. durch Versand (auch überschwerer Sendungen) und Maßnahmen der Direktwerbung verursacht.

Ich fasse zusammen:

»Interessant« wird meine Verlagstätigkeit erst mit dem Jahr 1987.

Sie stellen fest, daß während der zehn Jahre von 1983 bis 1992 meine Betriebsausgaben sich stets in Abhängigkeit von den Betriebseinnahmen erhöht hätten. Ich weise demgegenüber darauf hin, daß der Zusammenhang weithin umgekehrt ist. Außerdem weise ich darauf hin, daß ein Teil der Betriebsausgaben zwangsläufig mit verbessertem Absatz wächst: Tantiemen, Vorschußrückzahlung (seit 1990), Porto und Verpackung für Versand. Schließlich weise ich auf den im Jahr 1991 erzielten Gewinn hin.

Insbesondere bitte ich, das Jahr 1990 außer Betracht zu lassen, denn die für meine Verhältnisse hohe Ausgabe (7432 DM) für den Druck von »Meiendorfer Druck« Nr. 20 wurde nur durch den Druckkostenvorschuß ermöglicht, den mein Autor Klaus M. Rarisch (Tessenowstraße 42, 13437 Berlin) mir zur Verfügung gestellt hat. Zudem wird das Bild durch einen seitens der Arno Schmidt Stiftung, Bargfeld, gewährten Zuschuß (1500 DM) »verfälscht«, den ich umgehend zu Vorschußrückzahlung an Klaus M. Rarisch verwendet habe.

4.) Meine gegenwärtige und zukünftige verlegerische Tätigkeit

Nach wie vor bin ich entschlossen, den Kleinverlag in die »Gewinnzone« zu bringen. Ich brauche das ganz einfach mehr denn je, weil mein Arbeitgeber (für den ich fast 17 Jahre lang tätig war) Ende Juli ’93 in Konkurs gegangen ist. Mit meinen 56 Lebensjahren habe ich kaum eine realistische Aussicht, eine neue Anstellung zu finden.

So gehen jetzt meine Planungen in die Richtung, mir mit journalistisch/publizistischen Aufträgen und ergänzend mit dem Kleinverlag eine Basis zu schaffen.

Für meinen Kleinverlag ist es unabdingbar, daß ich die Zahl der angebotenen Titel weiter erhöhe. Es gehört zu den Besonderheiten des Verlagswesens, daß der Verkauf umso besser läuft, je mehr Titel ein Verlag anbieten kann. Erfahrungsgemäß ist es dann auch so, daß neue Titel mit ihrem Erscheinen ältere »nachziehen«.

Da ich ganz ohne Kapital dastehe, konnte ich bisher nur in ganz kleinen Schritten mein schmales Angebot aufbauen, indem ich Revenüen großenteils für Erweiterungsproduktion verwendete. Und im übrigen außer meiner Arbeit auch manche Mark vom Budget des dreifachen Zahlvaters hineinsteckte.

Die ersten drei »Meiendorfer Drucke« mit Auflagen von je 100 Exemplaren sind vergriffen. Das ist lange her. Vergriffen auch der erfolgreiche »Meiendorfer Druck« 11 (da müßte ich an eine dritte Auflage denken!). Ich stehe jetzt mit einem Angebot von 21 Titeln da ... mit einem HYPOTHETISCHEN Wert von 23000 Mark. Aber 21 Titel sind immer noch zuwenig.

So geht es mir – wie die Jahre zuvor schon – entschieden darum, dem Verlagsangebot die nötige »Masse« zu sichern: Damit die bisherige Produktion mir das einbringt, was sie wert ist.

1993 ist wieder ein Verlagsjahr ohne neue Produktion. (Es ist ein »SCHLECHTES« Jahr mit etwas zuvielen Erschütterungen: Tod von Vater und Stiefmutter, Konkurs des Arbeitgebers.) Ich habe noch keine Jahresabrechnung beieinander, aber ein flüchtiger Blick zeigt mir rd. 700 DM Eingänge aus dem Buchverkauf, 500 DM für eine Lizenzvergabe, 200 DM für Lektoratsberatung, 125 DM von VG Wort für Senderechte, zusammen rd. 1500 DM. Die gegenüberstehenden Ausgaben dürften sich in Grenzen halten (vom Preisbindungsrevers habe ich mich inzwischen abgemeldet). Größter Posten wird mit 550 DM ein bereits in Auftrag gegebener neuer Gesamtprospekt sein (wenn die Druckerei es noch in diesem Jahr schafft). So rechne ich mit einem kleinen Gewinn. (Noch schöner wäre es, wenn ich noch in diesem Jahr die rd. 1000 DM bekäme, die mir ein Kommissionär schon seit fast zwei Jahren schuldig ist ... mit denen meine 1992er Abrechnung auch etwas anders ausgesehen hätte!)

Anfang 1994 will ich fünf neue »Meiendorfer Drucke« erscheinen lassen: Mein Verlagsprogramm braucht nach wie vor mehr »Masse«. Die betreffenden Hefte sind schon seit vielen Monaten in Vorbereitung. Mehr denn je bin ich drauf angewiesen, daß meine Anstrengungen sich in Gewinn ummünzen!

Ich HOFFE, daß ich mich verständlich ausgedrückt habe und daß das Finanzamt nun davon abgeht, mir die Gewinnerzielungsabsicht bei meiner Verlagstätigkeit abzusprechen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Robert Wohlleben

1. Nachsatz (im August 1998):
Inzwischen sind 17 weitere Meiendorfer Drucke erschienen. Das Verlagslager ist entsprechend angewachsen. Der Absatz hinkt (weiterhin). Das Stauraumproblem wächst (weiterhin). So wächst jetzt auch die Idee, daß ich mich – bis auf, sag mal, je 50 Stücke – von den teils VIEL zu großen Restauflagen »trenne« ... wo ich mir doch bisher was drauf eingebildet hab, nicht zu verramschen oder zu vermakulieren. Treffen würds zuerst die gründlich überdimensionierten Auflagen: Stadt+Land, Arno Holzens Berg des Lebens, meinen (SCHÖNEN!!!) Schimmelreiter von Finkenwerder ...

2. Nachsatz (im August 2000):
Nun ist es erstmals passiert: Als ich im Juli den winzigen Verschlag auf dem Dachboden gebotenerweise aufräumte, sind neben etwa ausgemusterter Atari-Hardware auch zwei SCHWERE Pakete auf dem Recyclinghof am Celsiusweg gelandet: schätzungsweise 600 bis 700 Exemplare »Berg des Lebens« von Arno Holz (MD 5) und 500 Exemplare »Stadt + Land«.

Rechte am Text bei Robert Wohlleben

Unterm 13.7.1981 schrieb das Lektorat eines namhaften Verlags an Klaus M. Rarisch u. a. dies:

Zu Ihrer Frage nach den Chancen für moderne Lyriker kann ich leider nicht viel Positives sagen oder genau genommen fast gar nichts. Ungeachtet des Geschreis, das manche Verleger aus propagandistischen Gründen anstimmen und demzufolge man heute wieder lyrikinteressiert sei, in dem Sinne, daß man sie auch kaufe, kann man leider immer wieder feststellen, daß den Leuten Gedichte im Grunde völlig egal sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Gedichtbände werden nicht gekauft, und wenn immer noch vergleichsweise zahlreiche erscheinen, so deshalb, weil in 80 % der Fälle eine finanzielle Unterstützung gegeben wird, sei es, daß ein Land oder eine Stadt einen bestimmten Teil der Auflage aufkauft, sei es, daß ein Mäzen einspringt oder von irgendwelchen Institutionen ein Zuschuß zu den Herstellungskosten gegeben wird. Das ist eine sehr betrübliche Situation, aber immerhin noch besser, als wenn gar keine Gedichte mehr gedruckt würden. Regulär verkaufen kann man jeweils nur ein paar hundert Exemplare – die Zahlen schwanken zwischen vierhundert und achthundert im Normalfall –, gedruckt aber werden müssen mindestens tausend, und das Ganze geht rechnerisch hinten und vorn ohne Zuschuß nicht auf. Selbst unter diesen widrigen Umständen aber treten noch immer täglich so viele Lyriker in die Schranken, daß die Programme der Verlage, die sich überhaupt noch mit Gedichten befassen, meist auf Jahre hinaus lyrische Wartelisten aufweisen. Ich kann Sie also auch in diesem Punkt kaum ermutigen.

Diese gut 20 Jahre zurückliegende Einschätzung der Situation auf dem Markt für Lyrik braucht wohl immer noch nicht revidiert zu werden. Anmerken läßt sich allenfalls, daß hier von Lyrik die Rede zu sein scheint, der von vornherein gewisse – wie immer vergleichsweise geringe – Absatzchancen zugestanden werden. Lyrik also mit gängigen Paßformen, wie sie auch von Moden und vielfach überdies von außerliterarischen Momenten, etwa Prominenz unterschiedlichster Genese, mitgeprägt werden. Für Lyrik ohne derlei «Garantieschein» ist von deutlich geringeren Absatzzahlen auszugehen.

RW

Süddeutsche Zeitung: Recycling
(Süddeutsche Zeitung)